Leitsatz (amtlich)

Das objektive Interesse des Betroffenen daran, dass ein ortsnahes Gericht die Betreuung führt, geht regelmäßig dem Interesse des um Übernahme angegangenen Gerichts vor, keine Aufgaben übernehmen zu müssen, die das andere Gericht - weil bereits sachkundig - mit weniger Arbeitsaufwand erledigen könnte. Dies gilt auch für das der Anordnung einer Betreuung vorausgehende Verfahren.

 

Normenkette

FamFG §§ 5, 273

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 53 XVII W 144/14)

AG Leverkusen (Aktenzeichen 14 XVII W 151, 14 AR 62/14)

 

Tenor

Zuständig ist das AG - Betreuungsgericht - Schöneberg.

 

Gründe

1. Aufgrund einer Anregung vom 1.1.2014 ist das AG Leverkusen in eine Prüfung eingetreten, ob für die seinerzeit in Leverkusen wohnende Betroffene eine Betreuung anzuordnen ist. Die Betroffene und der Beteiligte zu 2) machen geltend, wegen einer dem Beteiligten zu 2) erteilten umfassenden Vollmacht sei eine Betreuung nicht erforderlich. Mit Beschluss vom 26.6.2014 (Bl. 264 R, 264a) hat das AG Leverkusen das Verfahren an das AG Schöneberg mit der Begründung abgegeben, dass der ständige Aufenthaltsort der Betroffenen nunmehr im Bezirk dieses Gerichts liege. Das AG Schöneberg hat die Übernahme mit richterlicher Verfügung vom 26.3.2014 (Bl. 276) abgelehnt. Das AG Leverkusen hat daraufhin mit Beschluss vom 25.7.2014 die Sache dem OLG Köln zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

2. Das OLG Köln ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 FamFG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Da das nächst höhere gemeinschaftliche Gericht der BGH ist, wird das zuständige Gericht durch das OLG bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht - hier das AG Leverkusen - gehört (§ 5 Abs. 2 FamFG), hier also durch das OLG Köln.

Als zuständig für die vorliegende Betreuungssache ist das AG - Betreuungsgericht - Schöneberg zu bestimmen.

Ob - was das AG Schöneberg rügt - das AG Leverkusen die verfahrensrechtlichen Vorgaben für das Abgabeverfahren nach § 4 FamFG beachtet hat und ob evt. Verfahrensfehler geheilt worden sind, hat der Senat nicht zu prüfen. Denn Voraussetzung für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG ist, dass die beteiligten Gerichte sich nicht einigen können. In diesem Verfahren ist nur zu prüfen, ob ein wichtiger Grund i.S.d. § 4 Satz 1 FamFG für eine Abgabe vorliegt; so liegen die Dinge hier.

Als wichtiger Grund für eine Abgabe i.S.d. § 4 Satz 1 FamFG ist es nach § 273 FamFG in der Regel anzusehen, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen geändert hat und die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort des Betroffenen zu erfüllen sind. Beides ist hier der Fall.

Die Betroffene hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Amtsgerichtsbezirk Schöneberg. Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist in der Regel der Ort zu verstehen, an dem der Schwerpunkt der Bindungen einer Person in familiärer oder beruflicher Hinsicht, ihr Daseinsmittelpunkt, liegt. Der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, ist nicht erforderlich. Grundsätzlich ist ein Aufenthalt von einer Dauer zu verlangen, die im Unterschied zu dem einfachen oder schlichten Aufenthalt nicht nur gering oder vorübergehend sein darf. Allerdings bedeutet dies nicht, dass im Falle eines Wechsels des Aufenthaltsorts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt immer erst nach Ablauf einer entsprechenden Zeitspanne begründet werden könnte oder bis dahin der frühere gewöhnliche Aufenthalt fortbestehen würde. Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird vielmehr grundsätzlich schon dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf längere Zeit angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig an die Stelle des bisherigen Daseinsmittelpunkts treten soll (vgl. BGH NJW 1993, 2047, 2048 f. m.w.N.). Nach diesem Maßstab liegt der gewöhnliche Aufenthaltsort der Betroffenen im Amtsgerichtsbezirk Schöneberg. Nach den Angaben beider Verfahrensbevollmächtigten hat die Betroffene nunmehr ihren gewöhnlichen dauerhaften Aufenthalt in der Pflegeeinrichtung "Fugger-Klinik", wo sie ausweislich der mit Schriftsatz vom 5.6.2014 eingereichten Meldebescheinigung (Bl. 22 d.A.) seit dem 14.2.2014 gemeldet ist, wobei - insbesondere aus Gründen der erforderlichen Versorgung - mit einer Rückkehr an ihren vormaligen Wohnsitz in Leverkusen nicht mehr zu rechnen ist. Anhaltspunkte, diese Angaben in Zweifel zu ziehen, sind nicht ersichtlich.

Einer Anwendung des § 273 FamFG steht nicht entgegen, dass sich die Vorschrift ihrem Wortlaut nach ("die Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Aufenthaltsort zu erfüllen sind") lediglich auf eine bereits angeordnete Betreuung zu beziehen scheint. Denn die Vorschrift erstreckt sich auf sämtliche Betreuungssachen i.S.d. § 271 FamFG, wozu nach Nr. 1 dieser Bestimmung das Verfahren zur Bestellung eines Betreuers und damit auch schon das Verfahren gehört, in welchem erst noch geprüft wird, ob eine Betreuun...

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