Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Bestimmung der Vergütungsgrenze der §§ 92a HGB, 5 Abs. 3 ArbGG
Leitsatz (amtlich)
Für die Bestimmung der Vergütungsgrenze von 1.000 EUR des § 92a HGB kommt es auf alle unbedingt entstandenen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis an, nicht aber auf die tatsächlich erfolgten Zahlungen.
Auch erbrachte Provisionsvorschüsse sind bei der Ermittlung der nach § 5 Abs. 3 ArbGG maßgeblichen Vergütungsgrenze zu berücksichtigen. Werden solche gemäß vertraglicher Regelung zunächst darlehensweise gewährt und verwandeln sich diese aufgrund der im Vorhinein erlassenen Rückzahlungsverpflichtung im Moment des Ausscheidens des Handelsvertreters automatisch in unbedingt bezogene Vergütungen, ist entscheidend für die Eröffnung des Rechtsweges gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG nicht die Vertragsausgangslage, sondern die Frage, ob sich im Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses die zunächst darlehensweise gewährten Zuschüsse in unbedingt gewährte Leistungen umgewandelt haben.
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 13.05.2008; Aktenzeichen 20 O 412/07) |
Tenor
I. Das Verfahren wird gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO vom Einzelrichter auf den Senat übertragen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
II. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Köln vom 21.4.2008 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 13.5.2008 aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die gem. §§ 17a Abs. 4 S. 3 GVG, 567 ff. ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das LG in der angefochtenen Entscheidung den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das ArbG verwiesen. Zur Entscheidung über das Klagebegehren sind die ordentlichen Gerichte berufen. Der Beklagte ist Handelsvertreter und fällt auch nicht unter die Regelung der § 5 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 92a HGB.
1.Der Beklagte war nicht Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Gemäß § 2 Abs. 1 des zwischen den Parteien geschlossenen "Consultantvertrages" - nicht "Mitarbeitervertrages", wie von dem Beklagten in seiner Beschwerdeerwiderung angegeben - vom 24.3.2003 war er als selbständiger Gewerbetreibender i.S.d. §§ 84 ff. HGB tätig. Der Wortlaut des Vertrages allein ist zwar nicht entscheidend für die Frage, ob ein Vertragspartner als selbständiger Handelsvertreter tätig geworden ist oder nicht, denn es kommt grundsätzlich nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern vor allem auf das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und die tatsächliche Handhabung an (OLG Hamm VersR 2004, 1133). Jedoch ist weder im Hinblick auf die vertraglichen Bestimmungen noch aufgrund der tatsächlichen Durchführung des Vertrages nach dem insoweit maßgeblichen Vortrag der Klägerin von einer Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten auszugehen. Er ist vielmehr als selbständiger Handelsvertreter einzuordnen.
Dies ergibt sich zunächst aus der gesamten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses, welches dem gesetzlichen Leitbild des Handelsvertreters in vollem Umfang entspricht. Ausweislich § 2 Abs. 2 des Consultantvertrages war der Beklagte verpflichtet, seine Dienste in Person und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu erbringen. Er erhielt gem. § 6 Abs. 1 S. 1 für seine Tätigkeit Vergütungen in Form von Provisionen und Honoraren. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 trug der Beklagte die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit unmittelbar entstandenen Aufwendungen, insbesondere Kfz-, Telefon-, Reise- und Bewirtungskosten selbst. Die Beiträge zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung hatte die Klägerin gem. § 12 Abs. 1 S. 2 nur für das erste Jahr ab Vertragsschluss übernommen, ab dem zweiten Jahr waren sie von dem Beklagten zu zahlen. § 14 Abs. 1 und 2 des Consultantvertrages legte die Kündigungsfristen des § 89 Abs. 1 HGB zugrunde. § 7 des Vertrages enthielt nähere Bestimmungen zum Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB. Darüber hinaus sollten gem. § 15 Abs. 2 des Vertrages im Übrigen die Vorschriften des HGB Anwendung finden, soweit in dem Vertrag nichts anderes bestimmt war.
Der Beklagte konnte gem. § 1 Abs. 3 des Consultantvertrages auch seine Arbeitszeit frei gestalten. Dass er gem. § 5 des Vertrages bei urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit in Abstimmung mit dem Geschäftsstellenleiter für eine Vertretung zu sorgen hatte, berührte die freie Arbeitszeitgestaltung des Beklagten nicht wesentlich und entspricht einer ordentlichen kaufmännischen Geschäftsführung.
Auch die weiteren vertraglichen Vereinbarungen und tatsächlichen Handhabungen stehen einer Einordnung des Beklagten als selbständiger Handelsvertreter nicht entgegen. Insbesondere die Zuordnung zu einer bestimmten Geschäftsstelle gem. § 1 Abs. 3 des Vertrages stellt eine vom Handelsvertreter zu akzeptierende Entscheidung des Unternehmers ...