Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftantrag zur Abschiebungshaft durch unzuständige Behörde
Leitsatz (amtlich)
Ein zulässiger Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft, der nach § 3 FEVG zwingende Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist, muss von der örtlich zuständigen Behörde gestellt werden. Ein von einer örtlich unzuständigen Behörde gestellter Antrag hat die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung zur Folge.
Normenkette
FEVG § 3
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 23.09.2008; Aktenzeichen 3 T 309/08) |
AG Aachen (Beschluss vom 22.08.2008; Aktenzeichen 620 XIV 64.B) |
Tenor
Der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Aachen vom 23.9.2008 - 3 T 309/08 - und die Haftanordnung des AG Aachen vom 22.8.2008 - 620 XIV 64.B - werden aufgehoben.
Der Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft wird zurückgewiesen.
Der Betroffene ist sofort aus der Haft zu entlassen.
Die notwendigen Auslagen des Betroffenen, die im Verfahren der Erstbeschwerde und im Verfahren der weiteren Beschwerde entstanden sind, hat der Antragsteller zu tragen.
Gründe
I. Der Asylantrag des Betroffenen, der sich seit 1999 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, wurde durch rechtskräftigen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Jahre 2001 abgelehnt. Zugleich wurde dem Betroffenen eine Ausreisefrist von einem Monat unter Androhung der Abschiebung gesetzt. Der Aufenthalt des Betroffenen wurde durch wiederholte Aussetzung der Abschiebung zuletzt am 15.7.2006 bis zum 28.7.2008 geduldet, wobei der Aufenthalt auf das Saarland beschränkt wurde, da er nicht über einen gültigen Pass verfügt und keine Passersatzpapiere ausgestellt wurden. In dieser Zeit hielt der Betroffene sich zunächst in M./Rheinland-Pfalz auf. Bei dem dortigen Landesamt für Ausländer- und Flüchtlingsangelegenheiten in M., das die jeweiligen Duldungen angeordnet hatte, erschien der Betroffene nach dem 28.7.2008 nicht mehr, sondern tauchte unter. Er wurde im August in C. aufgegriffen und am 22.8.2008 durch die belgischen Behörden im Rahmend des DÜ-Verfahrens von Belgien nach B. überstellt. Die Stadt B. stellte an diesem Tag im Wege der Amtshilfe für das Landesverwaltungsamt - Zentrale Ausländerbehörde- in M. beim AG einen Antrag auf Sicherungshaft, die das Gericht bis zum 21.11.2008 angeordnet hat. Die dagegen eingelegte Erstbeschwerde blieb ohne Erfolg. Dagegen richtet sich das fristgemäß eingelegte Rechtsmittel des Betroffenen.
II. Die gem. §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Die Abschiebungshaft kann nicht aufrechterhalten werden, weil der Antrag nicht von der zuständigen Ausländerbehörde gestellt worden ist und deshalb die Haftanordnung unzulässig ist.
1. Gemäß § 3 S. 1 FEVG setzt die Anordnung der Abschiebungshaft den Antrag der zuständigen Behörde voraus. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist Verfahrensvoraussetzung und in jeder Lage des Verfahrens und damit auch durch das Rechtsbeschwerdegericht zu prüfen (vgl. OLG München vom 28.9.2006 - 34 Wx 115/06; KG vom 25.8.2006 - 25 W 70/05; OLG Karlsruhe vom 15.5.2008 - 14 Wx 10/08-, alle bei Melchior, Abschiebungshaft, im Anhang).
2. Im vorliegenden Fall war der Oberbürgermeister der Stadt B. für die Stellung eines Antrags auf Sicherungshaft örtlich nicht zuständig.
In Nordrhein-Westfalen wird die örtliche Zuständigkeit für die Ausländerbehörden über § 12 Abs. 2 OBG in § 4 OBG geregelt, da das nordrhein-westfälische Landesrecht zweifelsfrei davon ausgeht, dass das Ausländerrecht dem Recht der Gefahrenabwehr zugehört (vgl. OVG NW vom 10.7.1997, NVwZ-RR 1998, 201 f.; VG Düsseldorf v. 17.11.2004 - 24 L 2438/04; VG Aachen v. 23.3.2006 - 3 L 13/06). Die Ausländerbehörden sind demnach Sonderordnungsbehörden im Sinne des OBG. § 4 OBG stellt für die örtliche Zuständigkeit darauf ab, in welchem Bezirk "die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden". Das ist dort der Fall, wo der Ausländer, von dem Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen, sich in Widerspruch zu ausländerrechtlichen Vorschriften aufhält (vgl. OLG Hamm, OLGR NRW 2007, 667; Senat vom 8.5.2007, OLGR NRW 2007, 769; OVG NW vom 10.7.1997, a.a.O.).
Ein solcher Aufenthaltsort des Betroffenen besteht in B. nicht. Der Betroffene wurde am 22.9.2008 in B. den deutschen Behörden von den belgischen Behörden überstellt. Ansonsten hat der Betroffene sich nie - soweit aktenkundig - in B. aufgehalten. Damit fehlt es im Bezirk B. an einem Tatbestand, von dem Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.
3. Die Antrag stellende Behörde wird auch nicht durch das Amtshilfeersuchen der zuständigen Behörde in M. - Landesverwaltungsamt - Zentrale Ausländerbehörde- selbst zur zuständigen Behörde. Ob und in welchem Umfang durch ein rechtlich zutreffendes Amtshilfeersuchen eine Zuständigkeitsverlagerung erfolgen kann (vgl. dazu OLG Karlsruhe vom 15.5.2008 - 14 Wx ...