Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Aussetzung einer Maßregel zur Bewährung. Versagung wegen Unterbleibens von Vollzugslockerungen
Leitsatz (amtlich)
›Der Umstand, dass (in der Vergangenheit) Vollzugslockerungen möglicherweise zu Unrecht unterblieben sind, findet bei der Prüfung, ob eine Maßregel zur Bewährung ausgesetzt werden kann, grundsätzlich keine Bedeutung.‹
Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 27.09.2004; Aktenzeichen 33 StVK 921/03) |
Gründe
I. Der Untergebrachte ist erstmals 1973 straffällig geworden. Nach seiner ersten Inhaftierung im Jahre 1975 hat er bis heute insgesamt nur etwa zwei Jahre außerhalb von Haftanstalten verbracht, weil er immer wieder wegen in der Haft oder kurz nach der Haftentlassung begangener Straftaten zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Zu den von ihm begangenen oder zumindest versuchten Delikten - wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen - gehören neben Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Diebstahl, Urkundenfälschung, Verkehrsdelikten und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz auch räuberische Erpressung (AG Iserlohn, Urteil vom 29.08.1978 - 9 Ls/35 Js 2123//77 9 - 3/78), gefährliche Körperverletzung (Urteil des AG Iserlohn vom 03.09.1981 - 9 Ls 65 Js 399/81) und Vergewaltigung (LG Hagen, Urteil vom 05.01.1982 - 42 KLs 33 Js 105/80). Seit dem 26.12.1999 wird die Sicherungsverwahrung des Untergebrachten vollzogen, die durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10.07.1987 (KLs 46 Js 19/87 (IV) M 5/87) wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung neben einer Freiheitsstrafe von acht Jahren gegen ihn verhängt wurde. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Krefeld vom 21.12.1999 (33 StVK 472 + 473/99), dass die Sicherungsverwahrung zu vollziehen ist, beruht u. a. auf dem Gutachten des Psychiaters Dr. P., in dem er zu folgendem Ergebnis gelangt war:
"Die zusammengefassten Befunde zeigen, dass Herr M. in den Jahren seiner Inhaftierung keine nachweisbare Persönlichkeitsentwicklung und Verhaltensänderung erkennen lässt. Er hat zwar seine querulatorische und kämpferische Haltung gegen das Justizsystem zumindest vorübergehend aufgegeben und es ist gelungen, ihn mit Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern und einer für einen Gefangenen ungewöhnlich häufigen therapeutischen Behandlung durch die Anstaltspsychologin in seiner Stimmung und Haltung zu stabilisieren. Es gelang jedoch nicht, die schwere Störung der Persönlichkeit mit der extremen Beziehungsstörung, der fehlenden Empathie für andere Menschen und der hohen und dauerhaften inneren Anspannung und Depressivität zu verbessern.
Für Herrn M. gibt es keinen sozialen Empfangsraum, der für ihn den erforderlichen Halt und für die Öffentlichkeit die notwendige Sicherheit gewährleisten könnte. Wie oben bereits dargelegt, fehlt es für ein erfolgreiches Leben in einer sozialtherapeutischen Wohngemeinschaft an entscheidenden Bedingungen, nämlich der Drogenabstinenz und der uneingeschränkten Bereitschaft, sich mit anderen Menschen offen und konstruktiv auseinander zu setzen." (S. 41 ff. des Gutachtens= Bl. 295 ff. d. A.)
Die Entwicklung des Untergebrachten in der Sicherungsverwahrung verlief - abgesehen von zunehmenden gesundheitlichen Problem (chronische Lungenerkrankung, Herzinfarkt) - positiv. Drogenmissbrauch konnte nicht mehr festgestellt werden. Er geht seiner Arbeit engagiert und zuverlässig nach. Die durchgeführte Psychotherapie hat zu einer verbesserten sozialen Anpassungsfähigkeit und erhöhten Frustrationstoleranz geführt. Die Beziehung zu seinen Angehörigen hat sich stabilisiert. Außerdem unterhält er Kontakt zu einer Gruppe ehrenamtlicher Betreuer sowie zu einer Mitarbeiterin des "M." e. V. Diese Einrichtung hat ihm im Falle seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung die Aufnahme in ein Wohnprojekt zugesagt. Die zuständige Psychologin der Justizvollzugsanstalt stellte allerdings immer noch erhöhte Psychopathiewerte fest:
"Dies bedeutet, dass Herr M. zwar einerseits seine Interessen zielstrebig und energisch verfolgt und durchzusetzen weiß, dies aber ggf. egozentrisch und rücksichtslos tut, engeren emotionalen Kontakten gegenüber vorsichtig ist und sich insgesamt nicht gerne kontrollieren und einschränken lässt." (S. 8 der Stellungnahme der JVA Aachen vom 16.12.2004 = Bl. 605 d. A.)
Sie befürwortet - wie auch der zuständige Sozialarbeiter - die Erprobung der gemachten Fortschritte im Rahmen entlassungsvorbereitender Lockerungsmaßnahmen, weil noch nicht zuverlässig abgeschätzt werden könne, ob die gezeigten Fortschritte nicht nur zielorientiert unter den Bedingungen der Sicherungsverwahrung erreicht wurden, sondern bereits so verfestigt sind, dass sie auch den Belastungen des Alltags standhalten:
"Von einer akuten Gefährlichkeit ist daher bei ihm wohl nicht mehr unbedingt auszugehen, sie könnte sich längerfristig dann wieder entwickeln, wenn Herr M. bestehende Beziehungen abbrechen lässt, seine Alltagsstabilität verliert und z...