Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungslast bei fiktiven Einkünften
Normenkette
BGB § 1606 Abs. 3 S. 1, § 1603
Verfahrensgang
AG Bergisch Gladbach (Beschluss vom 02.01.2011; Aktenzeichen 27 F 271/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Verfahrenskostenhilfe verweigernde Beschluss des AG - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 2.1.2011 - 27 F 271/10 - teilweise abgeändert.
Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit sie den Antragsgegner auf Zahlung von Unterhalt für die Monate Mai bis Juli 2010 in Anspruch nimmt. Ihr wird Rechtsanwalt C. in L. zu den Bedingungen eines im Amtsgerichtsbezirk D. niedergelassenen Anwalts beigeordnet.
Im Übrigen wird das Verfahrenskostenhilfegesuch abgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die 1991 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners, den sie auf Zahlung von Kindesunterhalt ab Mai 2010 in Anspruch nimmt. Der Antragsgegner ist verheiratet und Vater zweier weiterer - minderjähriger - Kinder. Aus einer selbständigen Tätigkeit im Hochbaugewerbe erzielt er ein durchschnittliches Einkommen von monatlich 1.014 EUR.
Die Antragstellerin lebt bei ihrer Mutter und hat bis Ende Juli 2010 die höhere Handelsschule besucht. Danach hat sie sich - bisher erfolglos - um eine Ausbildungsstelle beworben. Die Mutter der Antragstellerin bezieht Sozialleistungen und betreut einen 2001 geborenen Sohn.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragstellerin unter Hinweis auf fehlende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung zurückgewiesen.
Für die Zeit ab August 2010 scheide ein Unterhaltsanspruch schon wegen fehlender Leistungsfähigkeit des Antragsgegners aus. Mit seinem Einkommen liege er unter dem großen Selbstbehalt, der gegenüber der ab diesem Zeitpunkt nicht mehr gem. § 1603 II 2 BGB privilegierten Antragstellerin gelte. Überdies seien die vorrangigen Unterhaltspflichten gegenüber den minderjährigen Kindern des Antragsgegners zu berücksichtigen.
Auch für den Zeitraum Mai bis Juli 2010 sei der Antrag nicht erfolgversprechend, weil eine nachvollziehbare Darlegung fehle, warum die Mutter der Antragstellerin nicht zu deren Unterhalt beitragen könne.
Der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Es hat zur weiteren Begründung ausgeführt, für den Zeitraum bis Juli 2010 hafte grundsätzlich auch die Mutter der Antragstellerin anteilig für deren Unterhalt, wobei nicht nur tatsächlich erzieltes, sondern auch zumutbar erzielbares Einkommen des Elternteils, in dessen Haushalt das Kind lebe, zu berücksichtigen sei.
Der zuständige Einzelrichter hat die Entscheidung über die Beschwerde dem Senat als Kollegialgericht übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Für den Zeitraum ab August 2010 hat das AG die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Recht verweigert. In der angefochtenen Entscheidung wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin seit Abschluss des Schulbesuchs nicht mehr zum Kreis der privilegierten volljährigen Unterhaltsberechtigten nach § 1603 II 2 BGB gehört und der Antragsgegner schon mangels Leistungsfähigkeit nicht zum Unterhalt der Antragstellerin herangezogen werden kann. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine für die Antragstellerin günstigere Beurteilung. Insbesondere macht die Antragstellerin nicht geltend, dass sich die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners günstiger darstellen als vom AG angenommen.
2. Was den verbleibenden Unterhaltszeitraum bis einschließlich Juli 2010 angeht, vermag der Senat der Argumentation des AG hingegen nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass die Mutter der Antragstellerin gem. § 1606 III 1 BGB grundsätzlich neben dem Antragsgegner für den Unterhalt der Antragstellerin haftet. Aufgrund ihrer tatsächlich erzielten Einkünfte ist die Mutter der Antragstellerin jedoch zu Unterhaltszahlungen nicht in der Lage, was auch das AG nicht in Zweifel zieht. Soweit es meint, insoweit seien auch der Kindesmutter fiktiv zuzurechnende Einkünfte zu berücksichtigen, hält der Senat dies nicht für zutreffend. Das AG verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des BGH v. 30.7.2008 - XII ZR 126/06 - veröffentlicht u.a. in FamRZ 2008, 2104 ff.. Diese Entscheidung scheint in der Tat auf den ersten Blick die Auffassung des AG zu stützen. Der BGH führt darin u.a. aus (unter Teilziffern 31 und 32):
"... Bei der Bemessung des Ehegattenunterhalts hat das Berufungsgericht den Unterhalt der volljährigen Kinder zutreffend vorweg abgezogen ...
Das Berufungsgericht hat den Unterhalt der beiden volljährigen Töchter allein nach dem Einkommen des Klägers bestimmt und das der Beklagten zugerechnete Einkommen als bloß fiktives Einkommen ...