Leitsatz (amtlich)
1. Eine tatsächliche Nutzung des fehlerhaften Zahnersatzes, die einem Entfallen des Honoraranspruchs entgegensteht, liegt nicht schon dann vor, wenn ein Patient die Versorgung für einen noch so kurzen Zeitraum im Mund trägt. Eine derartige Situation ist schlechthin unvermeidbar und würde darauf hinauslaufen, dass eine objektiv völlige Unbrauchbarkeit niemals den Honoraranspruch entfallen lasen könnte.
2. Eine tatsächliche Nutzung liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Patient sie auch tatsächlich als Versorgung nutzen möchte und ein "gewisses Interesse" an ihr zum Ausdruck bringt, obwohl er eine reelle und zumutbare Möglichkeit hat, sie nicht zu nutzen. Ein solches könnte anzunehmen sein, wenn er über einen längeren Zeitraum hinaus keinerlei Anstrengungen unternimmt, welche die ernste Absicht einer Neuversorgung erkennen lässt (z.B. Erstellung eines Heil- und Kostenplans durch einen Nachbehandler) oder eine zunächst eingeleitete Neuversorgungsabsicht über einen unverständlich langen Zeitraum hinweg nicht weiterverfolgt. Maßstab hierfür ist das Handeln eines vernünftig denkenden Menschen, dessen Motivation primär an seiner Gesundheit ausgerichtet und von dem Willen getragen ist, so schnell wie objektiv möglich und gesundheitlich, rechtlich und wirtschaftlich zumutbar den Zustand einer brauchbaren Versorgung zu erlangen.
3. Die Beurteilung dessen, was als tatsächliche Nutzung oder als bloßes unfreiwilliges Belassen zeitweilig noch zu tolerieren ist, entzieht sich einer klaren kasuistischen Einordnung. Da es dem Patienten jedoch nicht zuzumuten ist, seine Rechtsposition gegenüber dem behandelnden Zahnarzt von vorneherein signifikant zu verschlechtern oder ganz aufzugeben, ist ihm eine den Umständen nach angemessene Frist von wenigen Monaten bis zur Einleitung einer Beweissicherung zuzubilligen, gleich ob durch Privatgutachten, Kassengutachten oder gerichtliches Gutachten gem. § 485 ZPO. Ein solcher Zeitraum ist als unschädlich zu werten. Sollte sich die Nachversorgung hingegen aus wirtschaftlichen Gründen verzögern, sind hieran strenge Anforderungen zu stellen, da dem Patienten auch eine Darlehensaufnahme zumutbar sein kann. Gleich gilt, sollte der Patient für die Dauer des Rechtsstreits keinen zur Weiterbehandlung bereiten Zahnarzt finden.
4. Bei einer bloßen Weiterverwendung des fehlerhaften Zahnersatzes quasi als Notfallmaßnahme, zur Vermeidung eines eventuellen noch größeren Übels, liegt ein rechtserhebliches Nutzungsinteresse nicht vor.
5. Nutzt eine Patientin den fehlerhaft bei ihr eingebrachten Zahnersatz lediglich bis zum Abschluss eines alsbald nach Behandlungsabbruch eingeleiteten und der Aufklärung von Behandlungsfehlern dienenden selbstständigen Beweisverfahrens, liegt keine tatsächliche Nutzung der fehlerhaften Versorgung vor, die einem Entfallen des Honoraranspruchs entgegenstehen würde.
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 3 O 62/18) |
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Gründe
Der Kostentenor des Urteils des Senates vom 10.06.2020, nach dem die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat, ist offenbar unrichtig und beruht auf einem Diktatversehen. Die Klägerin ist im Rechtsstreit in vollem Umfang unterlegen. Sie hat daher die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Fundstellen
Dokument-Index HI13968136 |