Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld wegen Ungebühr in der strafrechtlichen Hauptverhandlung. Protokollierung. rechtliches Gehör
Leitsatz (amtlich)
Bei Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr nach § 178 GVG sind gemäß § 182 GVG der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen. Dabei muss der Sachverhalt so deutlich dargestellt werden, dass das Beschwerdegericht nachprüfen kann, ob eine Ungebühr vorlag. Die Niederschrift muss ein so deutliches Bild von dem Vorgang geben, dass der Grund und die Höhe der Sanktion ohne Weiteres nachzuprüfen sind. Wertungen oder abstrakte Darstellungen sind mangels Subsumierbarkeit ungenügend. Wesentliche Lücken können nicht durch dienstliche Erklärungen oder sonstige. Beweiserhebungen ausgefüllt werden.
Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch in Fällen, in denen der Beschwerdeführer das dem Ordnungsmittel zugrundegelegte Verhalten als solches nicht bestreitet. Dies erlaubt es dem Beschwerdegericht ausnahmsweise, für die Prüfung des Ordnungsgeldbeschlusses auch auf außerhalb des Hauptverhandlungsprotokolls liegende Quellen, etwa einen Nichtabhilfebeschluss, zurückzugreifen.
Vor der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 178 GVG ist dem Betroffenen im Regelfall rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch unter anderem dann, wenn der Betroffene in zeitlicher Nähe vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes wegen eines vergleichbaren Verhaltens ermahnt worden und ihm dieses Ordnungsmittel dabei bereits angedroht worden war.
Normenkette
GVG §§ 178, 181-182
Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 22.03.2024) |
Tenor
1. Dem Beschwerdeführer wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen vom 22.03.2024 gewährt.
2. Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Vorlageverfügung vom 21.06.2024 zum Verfahrensgang das Folgende ausgeführt:
"Am 22.03.2024 hat vor dem Landgericht Aachen in dem Verfahren 63 KLs 401 Js 113/23-26/23 ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden, dem der Beschwerdeführer, der Vater des Angeklagten, als Zuschauer beigewohnt hat (Bl. 17 ff. OG-Band). Während der Urteilsbegründung hat der Beschwerdeführer den Vorsitzenden unterbrochen. Hierzu heißt es im Sitzungsprotokoll wie folgt:
"Während der mündlichen Urteilsbegründung unterbricht der als Zuschauer anwesende Zeuge I. B. den Vorsitzenden. Er wird ermahnt und ihm für den Wiederholungsfall die Verhängung eines Ordnungsgeldes und die Entfernung aus dem Sitzungssaal angedroht.
Im weiteren Verlauf unterbricht der Zeuge I. B. den Vorsitzenden erneut.
Beschluss des Vorsitzenden:
Der Zeuge I. B., D.-straße N01, N02 J., V. wird in [ein] Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 € genommen." (Bl.19 OG-Band).
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.04.2024, eingegangen bei dem Landgericht am 03.04.2024, Einspruch eingelegt (Bl. 3 OG-Band).
Mit Schreiben vom 03.04.2024, das am 04.04.2024 zur Post gegeben worden ist, hat der Vorsitzende den Beschwerdeführer darüber belehrt, dass er in Ansehung der nicht erteilten Rechtsmittelbelehrung [richtig: der Nichtbelehrung über die Wochenfrist des § 181 GVG, Anm. d. Senats] binnen einer Woche nach Zugang des Schreibens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen könne (Bl. 4 OG-Band).
Mit Schreiben vom 15.04.2024, bei dem Landgericht eingegangen am 16.04.2024, hat der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung angeführt, er sei über die Wochenfrist nach § 181 GVG nicht ordnungsgemäß belehrt worden. Ferner hat er ausgeführt, die Verhängung des Ordnungsgeldes sei zu Unrecht erfolgt, da er nicht zuvor auf sein Fehlverhalten hingewiesen und ihm das Ordnungsgeld nicht angedroht worden sei. Zudem erscheine ihm das Ordnungsgeld als unverhältnismäßig (Bl. 6 OG-Band).
Mit Beschluss vom 24.04.2024 hat der Vorsitzende der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und den Beschluss vom 22.03.2024 wie folgt ergänzt:
"Für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, wird für jeweils 75,00 Euro ein Tag Ordnungshaft festgesetzt." (Bl. 7 ff. OG-Band).
Hierauf nimmt der Senat Bezug.
In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 24.04.2024 hat der Strafkammervorsitzende zu dem dem Ordnungsgeldbeschluss zugrundeliegenden Verhalten des Beschwerdeführers das Folgende ausgeführt:
"Unmittelbar nach Verkündung des Tenors rief er (sinngemäß), das sei eine Farce, das Urteil solle im Namen des Volkes ergehen, er sei schließlich auch das Volk. Offensichtlich aufgrund dieses Ausbruchs verließ die persönlich erschienene Nebenklägerin sofort wieder den Sitzungssaal.
In dieser Situation wurde der Zuschauer (aus Gründen der Deeskalation und mit Rücksicht auf seine verständliche emotionale Situation) lediglich zur Ruhe ermahnt. Allerdings wurde ihm auch ...