Entscheidungsstichwort (Thema)
5/10 Verhandlungsgebühr nach Anerkenntnisurteil nach neuem Recht
Normenkette
BRAGO § 33 Abs. 1, § 35; ZPO § 307
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 02.06.2005; Aktenzeichen 20 O 188/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss I. aufgehoben und die Sache - auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das LG Köln zurückverwiesen.
Gründe
I. Der Kläger, der seinen Prozessbevollmächtigten bereits vor In-Kraft-Treten des RVG mandatiert hatte, hat den Beklagten zu 1) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 15.000 EUR (Klageantrag zu 1.) sowie auf Zahlung eines weiteren Betrages von 100,29 EUR (Klageantrag zu 2.) - jeweils nebst Zinsen - in Anspruch genommen; von den Beklagten zu 2) bis 7) hat er mit dem Klageantrag zu 3. die gesamtschuldnerische Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 750 EUR nebst Zinsen (Klageantrag zu 3.) begehrt. Das Gericht hat - nachdem der Beklagte zu 1) die Klageanträge zu 1. und 2. schriftsätzlich anerkannt und die Beklagten zu 3), 4), 5) und 7) ihre Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt hatten - am 5.11.2004 im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß ein Teil-Anerkenntnis und Teil-Versäumnisurteil gegen die vorgenannten Beklagten erlassen; unter dem 24.11.2004 hat es - ebenfalls im schriftlichen Vorverfahren - antragsgemäß ein Teil-Versäumnisurteil und Schlussurteil gegen die Beklagten zu 2) und 6) erlassen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat es dem Beklagten zu 1) 95 % und den Beklagten zu 2) bis 7) 5 % auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss I. vom 2.6.2005 hat der Rechtspfleger die vom Beklagten zu 1) an den Kläger zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung bereits festgesetzter Prozesskostenhilfe-Kosten auf 677,24 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde, soweit der Rechtspfleger - bezogen auf die anerkannten Klageanträge zu 1. und 2. - antragsgemäß eine 10/10 Verhandlungsgebühr nebst Umsatzsteuer sowie - bezogen auf den Klageantrag zu 3. - mehr als eine 5/10 Verhandlungsgebühr bei der Festsetzung berücksichtigt hat. Er ist der Ansicht, eine Verhandlungsgebühr falle "für ein Anerkenntnis im schriftlichen Verfahren seit dem 1.9.2004 in Anbetracht des 1. Justizmodernisierungsgesetzes und der damit verbundenen Novellierung des § 307 ZPO nicht mehr an", da es keiner mündlichen Verhandlung bedürfe. Hinsichtlich des Klageantrags zu 3. sei wegen des im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Versäumnisurteils lediglich eine 5/10 und keine 10/10 Verhandlungsgebühr angefallen. Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 22.9.2005 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur Zurückverweisung der Sache an den Rechtspfleger des LG.
Ohne Erfolg bleibt die sofortige Beschwerde, soweit der Beklagte zu 1) sich generell gegen die Festsetzung einer Verhandlungsgebühr wendet; Erfolg hat sie insoweit, als der Rechtspfleger mehr als eine 5/10 Verhandlungsgebühr festgesetzt hat.
Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers steht in entsprechender Anwendung der §§ 35, 33 Abs. 1 BRAGO eine Verhandlungsgebühr zu.
Nach § 35 BRAGO erhält der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung - also die 5/10 Verhandlungsgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 2, § 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO für eine nichtstreitige Verhandlung -, wenn gem. § 307 Abs. 2 ZPO "ohne mündliche Verhandlung entschieden" wird. Die Vorschrift des § 307 Abs. 2 ZPO, auf die § 35 BRAGO - ebenso wie Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV - Bezug nimmt, existiert nach der Neufassung des § 307 ZPO zum 1.9.2004 nicht mehr. Die prozessuale Konstellation des Anerkenntnisurteils im schriftlichen Vorverfahren ist nunmehr in § 307 S. 2 ZPO geregelt.
Entgegen der Ansicht des Beklagten zu 1) führt der Wegfall der Bezugsnorm (§ 307 Abs. 2 ZPO) allerdings nicht dazu, dass bei einem Anerkenntnis im schriftlichen Vorverfahren eine Verhandlungsgebühr nicht mehr entsteht. Vielmehr ist die durch die Neufassung des § 307 ZPO entstandene Regelungslücke im Wege der - zwischen den Verfahrensbeteiligten zulässigen - Analogie zu schließen.
Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 307 ZPO ganz offensichtlich übersehen, auch die Vorschrift des § 35 BRAGO sowie die die Terminsgebühr regelnde Norm des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV anzupassen. Die Gesetzesmaterialien lassen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass mit der Änderung des § 307 ZPO beabsichtigt gewesen wäre, die Verhandlungsgebühr nach § 35 BRAGO bzw. die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV in Fällen des Anerkenntnisurteils im schriftlichen Vorverfahren entfallen zu lassen. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber - hätte er Derartiges beabsichtigt - in den für die Ge...