Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordre-public-Einwand gegen einen ausländischen Titel nach bestandskräftiger Vollstreckbarerklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Mit dem Einwand eines Verstoßes gegen den deutschen ordre public durch einen ausländischen Titel ist der Schuldner ausgeschlossen, wenn er unter Berufung auf diesen Verstoß gegen die Vollstreckung aus dem ausländischen Titel im Rahmen einer auf § 826 BGB gegründeten Klage vorgehen will und nicht bereits zuvor im Verfahren der Zulassung der Vollstreckung nach Art. 38 ff EuGVVO diesen Einwand erhoben hat.

 

Normenkette

BGB § 826; EuGVVO Art. 43

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Beschluss vom 17.07.2008; Aktenzeichen 11 O 247/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Aachen vom 17.7.2008 (11 O 247/08) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat Prozesskostenhilfe für eine Vollstreckungsgegenklage, hilfsweise für eine Klage nach § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einer ihrer Ansicht nach arglistig erschlichenen Entscheidung beantragt. Ihrem Antrag, der in erster Instanz abgelehnt worden ist, liegt ein belgisches Zivilurteil des Friedensgerichts Eupen zugrunde, mit dem sie zur Zahlung verurteilt wurde. Auf Antrag der damaligen Klägerin hat das LG Aachen diese Entscheidung für vollstreckbar erklärt; dagegen hat die Antragstellerin keine Rechtsmittel eingelegt. Nunmehr vollstreckt die damalige Klägerin in das Vermögen der Antragstellerin. Diese behauptet, die Gläubigerin und frühere Klägerin habe das belgische Urteil durch falsche Angaben über ein nicht mehr bestehendes Mietverhältnis erschlichen und sie, die Antragstellerin, durch irreführende Erklärungen davon abgehalten, in dem Prozess ihre Rechte geltend zu machen. Die Antragstellerin wendet sich mit der fristgemäß eingelegten sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Prozesshilfegesuchs.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolgt. Zu Recht hat das LG im Ergebnis die Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht verweigert.

1. Soweit die Antragstellerin die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Friedensgerichts Eupen vom 10.1.2007 i.V.m. dem Beschluss des LG Aachen vom 20.7.2007 begehrt, hat das LG zutreffend darauf abgestellt, dass die Antragstellerin nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen den Beschluss des LG Aachen vom 20.7.2007 zur Vollstreckbarerklärung mit ihren Einwendungen ausgeschlossen ist, da die Gründe, auf denen ihre Einwendungen beruhen, bereits vor Beginn des Vollstreckbarkeitsverfahrens vorlagen.

Zwar ist die von der Antragstellerin erstrebte Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 14 AVAG, 767 ZPO grundsätzlich zulässig gegen einen Beschluss des LG zur Vollstreckbarerklärung. Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist auch eröffnet, weil es sich bei der zugrunde liegenden Klage um eine Zivilsache handelte, die durch die Wohnsitze der Parteien in zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU, Belgien und Deutschland, grenzüberschreitenden Bezug aufweist. Das LG Aachen ist für die Vollstreckungsgegenklage nach § 14 Abs. 2 AVAG zuständig, da es über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entschieden hat.

Die von der Antragstellerin erhobenen Einwände zum arglistigen Erschleichen des Titels vom 10.1.2007 sind jedoch nicht zuzulassen, da sie auf Gründen beruhen, die nicht erst nach Ablauf der Beschwerdefrist des § 14 Abs. 1 Nr. 1 AVAG entstanden sind. Nach dieser Vorschrift sind für die Vollstreckungsgegenklage nur Einwände beachtlich, die auf Gründen beruhen, die nach Ablauf der Beschwerdefrist im Vollstreckbarerklärungsverfahren entstanden sind. Vorliegend werden indes Umstände behauptet, die aufgrund des Verhaltens der Gegenpartei zum Erlass des Versäumnisurteils vom 10.1.2007 geführt haben sollen. Damit kann die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage wegen der Präklusionswirkung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 AVAG keinen Erfolg haben.

2. Hinsichtlich des Hilfsantrags, der auf Erhebung einer Klage nach § 826 BGB mit dem Ziel der Unterlassung der Zwangsvollstreckung gerichtet ist, ist die Antragstellerin mit ihrem Sachvortrag einer arglistigen Titelerschleichung in Bezug auf die Entscheidung vom 10.1.2007 ebenfalls ausgeschlossen, weil sie diese Einwendungen nicht erst anlässlich der Vollstreckung, sondern bereits im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung hätte vorbringen müssen.

Mit ihrem Vorbringen, das Urteil des belgischen Gerichts sei erschlichen, macht die Antragstellerin in der Sache einen Verstoß gegen den ordre public des deutschen Rechts in Zusammenhang mit der Entscheidung zur Vollstreckbarerklärung geltend. Dieser Einwand ist allerdings in dem jetzigen Verfahrenstand, in dem bereits eine bestandskräftige Vollstreckbarkeitsentscheidung gegen die Antragstellerin vorliegt, nicht mehr zulässig. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 36 EuGVÜ (Brüssler Übereinkommen vom 27.9.1968), der dem inzwischen für fast alle EU-Staaten maßgeblichen Art. 43 EuGVVO (V...

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