Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Unzumutbarkeit von Nachbesserungsmaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
Der Patient muss dem Zahnarzt grundsätzlich Gelegenheit zur Anpassung und Nachbesserung prothetischer Leistungen geben. Spannungen zwischen Patient und Zahnarzt, die daraus resultieren, dass der Patient die üblicherweise notwendige Geduld nicht aufbringt, begründet keine Unzumutbarkeit, die Behandlung fortzusetzen.
Normenkette
BGB §§ 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 30.07.2012; Aktenzeichen 9 O 100/12) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 30.7.2012 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 100/12 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg.
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin nach den gem. § 529 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Feststellungen weder die geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche zustehen noch der Feststellungsantrag begründet ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 und 2 ZPO). Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine abweichende, ihr günstigere Entscheidung nicht.
1. Die geltend gemachten Ansprüche scheitern bereits daran, dass die Klägerin dem Beklagten keine Gelegenheit zur Nachbesserung des von ihr beanstandeten Zahnersatzes gegeben hatte. Gerade bei der Einpassung von Zahnersatz müssen einem Zahnarzt Nachbesserungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Erst wenn diese ein zumutbares Maß überschreiten, kann der Vorwurf eines Behandlungsfehlers als Voraussetzung für die geltend gemachten Ansprüche erhoben werden. Das war hier nicht der Fall. Vielmehr hat die Klägerin dem Beklagten von vornherein eine Nachbesserungsmöglichkeit nicht eingeräumt. Eine solche Nachbesserung wäre der Klägerin nicht unzumutbar gewesen. Die von der Klägerin angeführten Spannungen zwischen Behandler und Patient, die aus wechselseitigen Frustrationsgefühlen resultieren können, sind nur bedingt tauglich, die Unzumutbarkeit zu begründen. Die Eingliederung von Zahnersatz ist in besonderem Maße von wechselseitigem Vertrauen abhängig, von der Einsicht in die Komplexität und Dauer der Behandlung einerseits, in die Ängste und Beschwerden des Patienten andererseits und - nicht selten - von einem gehörigen Maß an aufzubringender Geduld. Nur ein Verhalten des Zahnarztes, das aus Sicht eines durchschnittlich robusten oder empfindsamen Patienten, der Einsicht in die Problematik der Behandlung zeigt, als nicht mehr hinnehmbar erscheint, wird für sich genommen ausreichen, die Behandlung einseitig abzubrechen. Das war hier jedoch nicht der Fall. Wie die Klägerin selbst im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG eingeräumt hat, ist die "Klammerlösung" nach Beratung und mit ihrem Einverständnis gewählt worden, weil ihr eine Versorgung mittels Implantaten zu teuer gewesen wäre. Den Verlauf der Behandlung selbst vom 19.8.2008 bis zur Eingliederung der Teilprothesen am 29.8.2008 hat die Klägerin nicht beanstandet. Und nachdem die Klägerin die Prothesen beanstandet hatte, hatte der Beklagte ihr bereits am 8.9.2008 angeboten für den Oberkiefer eine Vollprothese zu erstellen, so wie es die Klägerin - ihrem eigenen Vorbringen nach - ursprünglich gewollt hatte. Es sind keine plausiblen Gründe ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, weshalb sie sich auf diese Art der Nachbesserung nicht einlassen wollte und eingelassen hat. Dagegen spricht jedenfalls nicht, dass sie Angst vor den zahnärztlichen Behandlungen hatte, das heißt sog. Angstpatientin war. Auch als solche konnte sie nicht damit rechnen, dass der Zahnersatz auf Anhieb passte. Sie hat auch nichts dazu vorgetragen, dass die Zahnbehandlung beim Beklagten bereits vor der Eingliederung des Zahnersatz derart gewesen wäre, dass ihr Nachbesserungsarbeiten und gegebenenfalls die Neuanfertigung einer Vollprothese unzumutbar gewesen wäre. Das gilt auch, soweit ihr dafür weitere Zähne hätten gezogen werden müssen. Dies hätte erneut bei den Zahnärzten Dr. Dr. S/Dr. Dr. N durchgeführt werden können, die zuvor bereits Zähne bei ihr extrahiert hatten und mit deren Behandlung sie zufrieden war.
2. Darüber hinaus hat die Klägerin sonstige haftungsrelevante Behandlungsfehler - auch unter Berücksichtigung der geringen Anforderungen an die Substantiierungspflicht eines Patienten im Arzthaftungsprozess - nicht schlüssig dargetan.
Soweit sie beanstandet, der Beklagte habe während seiner Behandlung vorhandenen Zahnstein nur unzureichend entfernt bzw. eine Entfernung unterlassen, hätte dies ohne weiteres ebenfalls im Rahmen einer Nachbesserung erledigt werden können. Ins Leere geht ebenso der Vor...