Entscheidungsstichwort (Thema)
Neufestsetzung Strafe. Zuständigkeit. Strafvollstreckungskammer. Gericht des ersten Rechtszugs
Leitsatz (amtlich)
Die Anwendbarkeit von § 462a Abs. 1 S. 1 u. 2, Abs. 4 StPO für die Neufestsetzung einer Strafe nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 3 u. 5 EGStGB folgt nicht mittelbar daraus, dass Art. 313 Abs. 5 EGStGB, auf den Art. 316p EGStGB verweist, die §§ 458 und 462 StPO für sinngemäß anwendbar erklärt und § 462a Abs. 1 S. 1 StPO eine Zuständigkeitsbestimmung für nach § 462 StPO zu treffende Entscheidungen enthält.
Die Zuständigkeit für gerichtliche Entscheidungen nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 5 EGStGB ist gesetzlich ungeregelt. Diese Lücke ist dadurch zu schließen, dass das unter Berücksichtigung bestehender Zuständigkeitsregeln sachnächste Gericht zur Entscheidung berufen ist. Zielt eine von der Staatsanwaltschaft beantragte Entscheidung in Durchbrechung der Rechtskraft des Strafurteils auf die Neufestsetzung einer Einzelstrafe sowie der Gesamtstrafe ab, besteht hierfür, da es sich um Strafzumessungsakte handelt, die Teil des Erkenntnisverfahrens und daher dem erkennenden Gericht zugewiesen sind, eine Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs und nicht der Strafvollstreckungskammer.
Normenkette
EGStGB Art. 313, 316p; StPO §§ 458, 462, 462a; KCanG
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Köln sprach den Verurteilten mit Urteil vom 14.01.2021 (Az. 586 Ds 318/20), rechtskräftig seit dem 22.01.2021, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG schuldig. Dem lag zugrunde, dass er am 20.12.2020 über 18,34g netto Marihuana und 0,97g netto Kokain verfügt hatte. Das Amtsgericht erkannte insoweit auf eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten. Unter Einbeziehung der wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz verhängten Geldstrafe von 120 Tagessätzen aus einem Urteil desselben Gerichts vom 17.06.2020 (Az. 534 Ds 71/20) belegte das Amtsgericht Köln den Verurteilten in seinem Urteil vom 14.01.2021 mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, die es zur Bewährung aussetzte.
Zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils stand der Verurteilte infolge einer vorausgegangenen Haftverbüßung in der Justizvollzugsanstalt Köln in zwei anderenVerfahren unter Bewährungsaufsicht der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln. Diese übernahm infolgedessen auch das hiesige Bewährungsverfahren.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) zum 01.04.2024 hat die Staatsanwaltschaft Köln gegenüber der Strafvollstreckungskammer "gemäß Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 3, 5 EGStGB und § 458 StPO" beantragt, die Einzelfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 14.01.2021 neu zu bestimmen und auf drei Monate sowie die Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil vom 17.06.2020 auf fünf Monate unter Strafaussetzung zur Bewährung festzusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es könne "nicht ausgeschlossen werden, dass die verhängte Strafe ohne die festgestellten 18,34g Marihuana geringer ausgefallen wäre".
Mit Beschluss vom 17.04.2024 (Az. 122 StVK 13/23 BEW) hat sich die Strafvollstreckungskammer für diese Entscheidung für sachlich unzuständig erklärt. Zwar finde die Zuständigkeitsnorm des § 462a StPO auf Entscheidungen nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 5 EGStGB Anwendung. Es sei jedoch § 462a Abs. 3 S. 1 StPO entsprechend anzuwenden, so dass eine Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges bestehe. Ob die vorliegende Konstellation der Verurteilung wegen Besitzes unterschiedlicher Betäubungsmittel "in natürlicher Handlungseinheit" überhaupt von Art. 313 EGStGB erfasst werde, könne vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Gegen diesen der Staatsanwaltschaft am 26.04.2024 zugestellten Beschluss hat diese unter dem 30.04.2024 sofortige Beschwerde eingelegt, die spätestens am 03.05.2024 bei dem Landgericht eingegangen ist. Sie ist der Auffassung, § 462a StPO, der auf Entscheidungen nach Art. 313 EGStGB Anwendung finde, regele die gerichtlichen Zuständigkeiten umfassend und abschließend, so dass für eine analoge Anwendung des § 462a Abs. 3 S. 1 StPO auf die hiesige Konstellation kein Raum bleibe.
Mit Vorlageverfügung vom 29.05.2024 hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 17.04.2024 aufzuheben.
Dieser Antrag und seine Begründung sind dem Verurteilten mit nicht wahrgenommener Gelegenheit zur Stellungnahme übermittelt worden.
II.
Die nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 5 EGStGB, § 462 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte und auch ansonsten zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Denn die Strafvollstreckungskammer hat ihre sachliche Zuständigkeit für die durch die Staatsanwaltschaft beantragte En...