Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 06.07.1998; Aktenzeichen 4 OH 30/98) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 29. Juli 1998 wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 6. Juli 1998 – 4 OH 30/98 – aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Eine gegebenenfalls zu treffende Entscheidung über die Kosten, auch des Beschwerdeverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.
Gründe
Im angefochtenen Beschluß vom 6. Juli 1998 hat das Landgericht den Antrag auf Anordnung selbständiger Beweiserhebung durch Einholen eines schriftlichen Sachverständigengutachtens als unzulässig zurückgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, nach dem Inhalt der Kaufverträge über die zu erbauenden Eigentumswohnungen sei von den Parteien eine Schiedsgutachtenvereinbarung getroffen worden, die ein rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ausschließe. Allein die drohende Verjährung von Gewährleistungsansprüchen rechtfertige kein schutzwürdiges Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller ist gem. § 567 ZPO zulässig, sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die Antragsteller haben gem. § 485 Abs. 2 ZPO ein rechtliches Interesse, die angegebenen Baumängel, ihre Ursachen und Beseitigungskosten im gerichtlichen Beweisverfahren feststellen zu lassen. Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO ist anzunehmen, wenn die begehrten Feststellungen der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen können. Nach herrschender Auffassung (Thomas-Putzo ZPO, 20. Aufl. 1997, § 485 Rz. 10; Stein-Jonas ZPO, 20. Aufl. 1989, § 486 Rz. 9; Ingenstau/Korbion VOB, 13. Aufl. 1996, B § 18 Rz. 88; Werner/Pastor Bauprozeß, 8. Aufl. 1996, Rz. 10; Pauly JR 1996, 269, 271; LG Hanau MDR 1991, 989; a.A. Weise, Praxis des selbständigen Beweisverfahrens, Rz. 236), der sich der Senat anschließt, steht eine Schiedsgutachtenvereinbarung der Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens nicht entgegen. Der Begriff des rechtlichen Interesses im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO ist weit zu fassen, es fehlt nur dann, wenn die beantragte Beweiserhebung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einem Rechtsstreit zuzuordnen ist, etwa wenn kein Rechtsverhältnis und kein möglicher Prozeßgegner ersichtlich ist (Ingenstau/Korbion a.a.O.). Danach läßt die Vereinbarung eines Schiedsgutachtenverfahrens das rechtliche Interesse am gerichtlichen Beweisverfahren nicht entfallen. Auch nach Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens kommt – wenn auch mit den Einschränkungen der §§ 317 ff. BGB – ein Rechtsstreit über den Gegenstand des Schiedsgutachtens in Betracht, in dem die Feststellungen aus einem selbständigem Beweisverfahren Bedeutung erlangen und Verwendung finden können. Damit besteht auch zugleich die Möglichkeit, daß die Feststellungen aus einem gerichtlichen Beweisverfahren geeignet sein können, einen Rechtsstreit über das Ergebnis eines Schiedsgutachtenverfahrens zu vermeiden.
Hinzukommt, daß ein gerichtliches Beweisverfahren ähnlich wie das einstweilige Verfügungsverfahren aufgrund seiner Zweckrichtung grundsätzlich für zulässig zu erachten ist (Stein-Jonas a.a.O.; LG Hanau a.a.O.). Eine Beschränkung, gesetzlich vorgesehene Verfahren vor staatlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen, kommt im übrigen nur dann in Betracht, wenn sie sich aus einer entsprechenden Übereinkunft der Parteien ergibt (so OLG Frankfurt für die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens trotz Schiedsgerichtsabrede). Der vorliegend getroffenen Schiedsgutachtervereinbarung ist nichts für den Ausschluß des gerichtlichen Beweisverfahrens zu entnehmen.
Die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens folgt hier auch aus dem Umstand, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BauR 1992, 223) auch für die im Streitfall gegebene Schiedsgutachterklausel unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 9 AGBG Zweifel an deren Wirksamkeit veranlaßt. Hierauf haben die Antragsteller zutreffend hingewiesen, auch der Antragsgegner stellt nicht in Frage, daß die in zahlreichen Verkaufsfällen verwendeten Kaufverträge den Bestimmungen des AGBG unterliegen.
Der Senat verweist die Sache zur weiteren Prüfung und erneuten Entscheidung zurück an das Landgericht, das noch über zusätzliche Voraussetzungen für die Anordnung des selbständigen Beweisverfahrens zu befinden haben wird. Das Landgericht hat gegebenenfalls auch über Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden, da derzeit noch nicht feststeht, ob dem Antrag auf Anordnung des Beweisverfahrens zu entsprechen ist.
Fundstellen