Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren nach § 494a ZPO steht der späteren Gelendmachung eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB wegen der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens jedenfalls dann nicht entgegen, wenn zusätzliche Umstände hinzukommen, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden konnten.
2. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch steht der Geltendmachung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens als materiellem Schadensersatzanspruch im Einzelfall nicht entgegen, wenn sich die Geltendmachung der Kosten des Beweisverfahrens im Rahmen der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens nicht als der einfachere Weg darstellt. Dies ist der Fall, wenn der materielle Anspruch sich auch gegen weitere Beklagte richtet, die am Beweisverfahren nicht beteiligt waren. In dieser Konstellation ist der materielle Anspruch ohnehin Gegenstand des Rechtsstreits. Zudem kann die gesamtschuldnerische Verbundenheit der Ansprüche gegen die Beklagten im Rahmen der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden.
3. Die Rechtsprechung zum Ausschluss fiktiver Mängelbeseitigungskosten gilt nicht für Mangelfolgeschäden an Bauteilen außerhalb des Gewerks des Unternehmers. Diese Schäden betreffen nicht das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern das Integritätsinteresse, und die Kosten ihrer Beseitigung sind nicht vom Nacherfüllungsanspruch und vom Vorschussanspruch erfasst.
Normenkette
BGB §§ 280, 634 Nr. 4, § 637; ZPO § 494a
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 7 O 104/20) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten zu 1) bis 3) sowie der Beklagten zu 4) gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 05.11.2021 - 7 O 104/20 - werden nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des von ihm jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu EUR 65.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger und seine Ehefrau, die am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligte Drittwiderbeklagte, ließen als Miteigentümer in A, B-straße 23, in den Jahren 2014 / 2015 ein neues Einfamilienhaus errichten. Die Beklagte zu 4) führte auf der Grundlage ihres Angebots vom 11.08.2014 (Anlage AG 1, Bl. 39 ff. d.A. 7 OH 8/17 LG Aachen) Beton- und Stahlbetonarbeiten sowie Mauerarbeiten zu einem Festpreis von insgesamt EUR 37.000,00 brutto aus. Insbesondere stellte sie außen eine Sockelabdichtung her. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte nahmen die Arbeiten der Beklagten zu 4) im April 2015 ab. Die Beklagte zu 1), deren Gesellschafter die Beklagten zu 2) und 3) sind, stellte als Dachdeckerunternehmen auf der Grundlage eines mündlichen Vertrages das Dach des Einfamilienhauses her, welches mit Schlussrechnung vom 31.12.2014 abgerechnet wurde. Die bodentiefen Fensterelemente und die Terrassentür wurden im März 2015, die Haustür wurde im August 2015 eingebaut. Die Abdichtungsarbeiten an der Terrassentür sowie der Haustür nahm jeweils ein Gesellschafter der Beklagten zu 1) vor, wobei die vertragliche Grundlage hierfür streitig ist. Hierbei kam es im Rahmen der Abschweißungen zu einem Senkschaden an der Dämmung, welcher behoben wurde.
Im Dezember 2015 zeigten sich feuchte Stellen im Erdgeschoss des Einfamilienhauses, welche bis auf 50 cm vom Erdboden die Wände hochstiegen (vgl. die Skizze Bl. 56 d.A. 7 OH 8/17 LG Aachen). Hierdurch kam es zu einer Schimmelpilzbildung.
Mit Schreiben vom 17.08.2016 forderten der Kläger und die Drittwiderbeklagte die Beklagte zu 4) zum nachträglichen Einbau einer bituminösen Abklebung der Sohle auf (Anlage R 2, Bl. 304 f. d.eA.), nachdem ein durch den Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 4) beauftragter Privatgutachter in seinem Gutachten vom 21.06.2016 zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine bituminöse Abdichtung der Bodenplatte fehle (Anlage R 1, Bl. 274 ff. d.eA.). Mit Schreiben vom 02.09.2016 (Anlage R 3, Bl. 306 f. d.eA.) teilten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 4) dem Kläger und der Drittwiderbeklagten mit, dass eine Abdichtung der Erdgeschossbetonsohle nicht beauftragt gewesen sei, und stellten dem Kläger und der Drittwiderbeklagten anheim, insoweit Ansprüche gegenüber dem Estrich- bzw. Fliesenleger geltend zu machen. Der Kläger sowie die Drittwiderbeklagte nahmen daraufhin die Estrichfirma C GmbH sowie deren Nachunternehmer, die Firma D, erfolglos in Anspruch.
Der Kläger und die Drittwiderbeklagte leiteten gegen die Beklagte zu 4) mit Schriftsatz vom 13.02.2017, bei Gericht eingegangen am 22.02.2017 und der Beklagten zu 4) zugestellt am 03.03.2017, ein selbständi...