Entscheidungsstichwort (Thema)
The Walking Dead
Leitsatz (amtlich)
Es steht jedenfalls der Annahme einer offensichtlichen Rechtsverletzung im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG nicht entgegen, wenn sich im Rahmen der Ermittlungen nicht ausschließen lässt, dass über eine bestimmte IP-Adresse nur ein Fragment eines geschützten Werks angeboten worden ist. Auch in diesem Fall liegt zumindest ein adäquat kausaler Beitrag zum öffentlich Zugänglichmachen des geschützten Werks vor.
Zu den Anforderungen an die Überprüfung der Ermittlung einer offensichtlichen Rechtsverletzung und ihrer Zuordnung zu den begehrten Verkehrsdaten.
Normenkette
UrhG § 101 Abs. 9
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 14.01.2016; Aktenzeichen 213 O 110/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des LG Köln vom 14.1.2016 - 213 O 110/15 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beteiligten zu 2) wird gestattet, der Beteiligten zu 1) unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinn des § 3 Nr. 30 TKG Auskunft zu erteilen über den Namen und die Anschrift sowie gegebenenfalls Benutzerkennungen derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt. 1 des Beschlusses der Kammer vom 29.9.2015 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweils dort aufgeführten Zeitpunkten zugewiesen waren.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens erster Instanz.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, der Beteiligten zu 2) zu gestatten, ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft zu erteilen über diejenigen Nutzer, denen die in einer beigefügten Anlage zu bestimmten Zeitpunkten aufgeführten IP-Adressen zugewiesen waren. Unter den genannten IP-Adressen seien Filme der TV-Serie "The Walking Dead - Series 5", an denen ihr ausschließliche Rechte zustünden, unberechtigt im Weg des so genannten Filesharing öffentlich zugänglich gemacht worden.
Das LG hat zunächst eine Sicherungsanordnung erlassen und zugleich die Antragstellerin auf Zweifel an ihrer Aktivlegitimation hingewiesen. Nachdem diese ergänzende Beweismittel vorgelegt hat, hat das LG unter Hinweis auf eine Entscheidung des Senats (Beschl. v. 14.10.2015 - 6 W 113/15) auf Zweifel an der Zuverlässigkeit der dem Antrag zugrundeliegenden Ermittlungen hingewiesen. Die Beteiligte zu 1) hat daraufhin schriftliche Stellungnahmen eines von ihr beauftragten Gutachters zu dem von ihr eingesetzten Ermittlungssystem vorgelegt.
Mit Beschluss vom 14.1.2016 hat das LG den Erlass einer Gestattungsanordnung abgelehnt, da der bisherige Sachvortrag und das vorgelegte Gutachten nicht ausreichen würden, um von der Zuverlässigkeit der dem Antrag zugrundeliegenden Ermittlungen ausgehen zu können. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1), der das LG mit Beschluss vom 17.3.2016 nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Nach § 101 Abs. 2 und 9 UrhG kann der Inhaber eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung bestimmte Auskünfte verlangen. Können diese Auskünfte nur unter der Verwendung von Verkehrsdaten im Sinn des § 3 Nr. 30 TKG erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich. Diese Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG setzt voraus, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung im? Sinn des § 101 Abs. 2 UrhG vorliegt. Dabei bezieht sich das Erfordernis der Offensichtlichkeit in § 101 Abs. 2 UrhG neben der Rechtsverletzung auch auf die Zuordnung dieser Verletzung zu den begehrten Verkehrsdaten (Senat, GRUR-RR 2009, 9, 11 - Ganz anders; GRUR-RR 2012, 335). Die Zuordnung der Rechtsverletzung zu den Verkehrsdaten muss dabei nicht nachträglich durch einen Sachverständigen überprüft werden; auch andere Beweismittel wie eidesstattliche Versicherungen der Ermittler können (im Freibeweisverfahren nach § 29 FamFG) ausreichen (Senat, GRUR 2013, 67 - The Disco Boys; WRP 2013, 1568 - Life of Pi).
2. Soweit das LG zunächst Zweifel an der Aktivlegitimation der Beteiligten zu 1) geäußert hat, so sind diese spätestens durch die ergänzende Stellungnahme vom 21.10.2015 ausgeräumt worden. Auf sie ist das LG in der angefochtenen Entscheidung nicht mehr zurückgekommen; weitere Ausführungen erübrigen sich daher an dieser Stelle (vgl. auch Senat, Beschl. v. 12.2.2013 - 6 W 27/13, betreffend eine frühere Staffel der Serie).
3. Entgegen der Annahme des LG erlaubt der Sachvortrag der Beteiligten zu 1) in Verbindung mit den von ihr vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen die Feststellung, dass eine offensichtliche Rechtsverletzung vorgelegen hat.
a) Die Verfahrensweise des LG ist nicht frei von Bedenken. Nach §§ 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG, 26 FamFG ist der Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Amtsaufklärung bedeutet zwar nicht, dass das Gericht nicht auf die Mitwirkung der Beteiligten - insbesondere der antragstell...