Leitsatz (amtlich)

Ist im Fall des Parteiwechsels der erste Beklagte bereits aus dem Rechtsstreit ausgeschieden, bevor der neue Beklagte denselben Rechtsanwalt mandatiert, dann handelt es sich für diesen um zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten.

 

Normenkette

RVG § 15; ZPO § 263

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 08.09.2005; Aktenzeichen 8 O 251/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der ehemaligen Beklagten wird der Nichtabhilfebeschluss vom 6.12.2005 aufgehoben sowie der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim LG Köln vom 8.9.2005 - 8 O 251/04 - insoweit teilweise abgeändert, als der Rechtspfleger eine Festsetzung zu ihren Gunsten abgelehnt hat. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wird wie folgt ergänzt:

Aufgrund des Beschlusses des LG Köln vom 30.12.2004 - 8 O 251/04 - sind von den Klägern an Kosten 644,50 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.5.2005 an die ehemalige Beklagte zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 644,50 EUR.

 

Gründe

I. Die Kläger erhoben Klage gegen die E.Q. Wohnen GmbH. Für diese bestellte sich Rechtsanwalt Dr. B. und rügte die fehlende Passivlegitimation seiner Mandantin. Richtige Anspruchsgegnerin sei vielmehr die E.Q. AG. Hieraufhin nahmen die Kläger eine Klageänderung vor, wonach sich die Klage nunmehr richten sollte gegen die E.Q. AG. Zugleich wurde die gegen die E.Q. Wohnen GmbH gerichtete Klage mit demselben Schriftsatz zurückgenommen. Sodann stellte Rechtsanwalt Dr. B. Kostenantrag für die E.Q. Wohnen GmbH und teilte zugleich mit, er gehe davon aus, dass die nunmehr gegen die E.Q. AG erhobene Klage dieser unmittelbar zugestellt und er noch gesondert mitteilen werde, ob er sich auch für die neue Beklagte als Prozessbevollmächtigter bestelle. Dies erfolgte zeitlich später schriftsätzlich.

Antragsgemäß erließ das LG Kostenbeschluss zugunsten der E.Q. Wohnen GmbH gem. § 269 Abs. 3 ZPO. In der Hauptsache erging später Anerkenntnisurteil, worin die Kosten des Rechtsstreites nach Quoten verteilt wurden.

Für die E.Q. Wohnen GmbH angemeldet hat Rechtsanwalt Dr. B. eine 1,3 Verfahrensgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, insgesamt 644,50 EUR, für die E.Q. AG neben der Verfahrensgebühr eine Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale, insgesamt 1.050 EUR.

Zu Gunsten der E.Q. AG hat der Rechtspfleger die seitens der Kläger an diese zu erstattenden Kosten antragsgemäß unter Beachtung der Quote festgesetzt, zugunsten der E.Q. Wohnen GmbH eine Festsetzung aber abgelehnt mit der Begründung, dass auch bei einer Klageänderung dieselbe Angelegenheit vorliege, so dass zugunsten der E.Q. Wohnen GmbH ein Vergütungsanspruch nicht separat entstanden sei.

Hiergegen richtet sich die ehemalige Beklagte mit ihrer Beschwerde, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache deshalb dem Senat vorgelegt hat. Die Kläger halten die Vorgehensweise des Rechtspflegers für zutreffend.

II. Die Beschwerde ist gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG statthaft und begegnet auch ansonsten keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. In der Sache selbst hat sie vollen Erfolg.

Die Auffassung des Rechtspflegers, der E.Q. Wohnen GmbH als aus dem Rechtsstreit ausgeschiedener Beklagter stünden die zur Festsetzung angemeldeten Kosten nicht zu, ist rechtsirrig und widerspricht der einhelligen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur. Seine Bezugnahme auf: Geroldt/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG, 16. Aufl., § 15 Rz. 102, ist unbehelflich, weil sie den zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt nicht betrifft.

Die Verfahrens-/Prozessgebühr kann nur dann ein einziges Mal gefordert werden, wenn im Falle des Parteiwechsels auf Beklagtenseite die alte und die neue Partei von ein und demselben Anwalt in zeitlicher Hinsicht zeitweilig überschneidend zugleich vertreten werden. Es tritt dann lediglich eine Erhöhung der Verfahrens-/Prozessgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV = § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO ein (OLG Hamburg v. 12.6.2002 - 8 W 118/02, OLGReport Hamburg 2003, 102 = MDR 2002, 1339; OLG Hamm JB 2002, 192; OLG Koblenz Kost. Rspr., § 6 BRAGO Nr. 169; OLG Köln, Beschl. v. 8.7.1998 - 17 W 192/97, JB 1998, 589; OLG München v. 7.12.1995 - 11 W 2885/95, OLGReport München 1996, 142 = Rpfleger 1996, 261; OLG Schleswig JB 1997, 584; Geroldt/Schmidt u.a., § 15 Rz. 98; Hansens, JB 1997, 568 f.; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rz. 13 "Parteiwechsel"; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 263 Rz. 32, jeweils m.w.N.). Wenn hingegen der erste Beklagte bereits aus dem Rechtsstreit ausgeschieden ist, bevor der neue Beklagte denselben Rechtsanwalt mandatiert, dann handelt es sich für den Anwalt um zwei gebührenrechtliche Angelegenheiten (Geroldt/Schmidt u.a., Rz. 99 m.w.N.; Hansens, JB 1997, 568; Zöller u.a., ZPO, 25. Aufl., § 263 Rz. 32,; OLG Koblenz JB 2002, 191 mit Anm. Enders; OLG Köln v. 26.11.1991 - 17 W 461/91, 17 W 462/91, OLGReport Köln 1992, 30 = JB 1992, 319).

Der hier in Rede stehende Fall entspricht der letztgenannten Variante. Nachdem ...

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