Leitsatz (amtlich)
1. Auf Erbfälle türkischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Deutschland ist materiell-rechtlich § 14 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 28.5.1929 vorrangig vor Art. 25 EGBGB anzuwenden. Danach ist für das bewegliche Vermögen türkisches Erbrecht und für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Erbrecht anzuwenden. Vorfragen sind indes unselbständig anzuknüpfen.
2. Führt die Anwendung dieses Konsularvertrages zur Nachlassspaltung, sind 2 Erbscheine zu erteilen, die in einen Doppel- oder Mehrfacherbschein zusammengefasst werden können.
3. Ein vor dem Tod des Erblassers eingeleitetes Scheidungsverfahren kann sich auf das Erbrecht des überlebenden Ehegatten bei Anwendung deutschen und türkischen Erbrechts unterschiedlich auswirken.
Verfahrensgang
AG Aachen (Beschluss vom 06.09.2013; Aktenzeichen 700B VI 1971/12) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 11.10.2013 betreffend den beweglichen Nachlass (Beschwerdeverfahren 2 Wx 30/14) werden der Beschluss des AG Aachen vom 6.9.2013, 700B VI 1971/12, teilweise abgeändert und die Tatsachen, die zur Begründung der den beweglichen Nachlass betreffenden Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1) vom 31.12.2012 und der Beteiligten zu 2) bis 5) vom 12.2.2013 erforderlich sind, für festgestellt erachtet.
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens 2 Wx 30/14 werden nicht erhoben. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten dieses Beschwerdeverfahrens findet keine Kostenerstattung statt.
II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 11.10.2013 gegen den Beschluss des AG Aachen vom 6.9.2013, 700B VI 1971/12, betreffend den im Inland befindlichen unbeweglichen Nachlass (Beschwerdeverfahren 2 Wx 43/14) wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens 2 Wx 43/14 zu tragen.
Gründe
I. Am 1.8.2012 ist der türkische Staatsangehörige F. B. (im Folgenden: Erblasser) verstorben. Seine erste Ehefrau ist am 3.6.1974 vorverstorben. Aus dieser Ehe stammt der Beteiligte zu 5). In zweiter Ehe war der Erblasser seit dem 11.8.1975 mit der Beteiligten zu 1), ebenfalls türkische Staatsangehörige, verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die Beteiligten zu 2), 3) und 4).
Der Erblasser hinterließ in Deutschland gelegenes bewegliches und unbewegliches Vermögen. Eine Verfügung von Todes wegen existiert nicht.
Zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Erblasser war vor dem AG Aachen bereits seit dem Jahre 2004 ein familiengerichtliches Verfahren anhängig (233 F 12/11; ursprünglich 22 F 21/04). Mit einem das Verfahren einleitenden Schriftsatz vom 20.1.2004 (Bl. 1 ff. d. BA 233 F 12/11), dem Erblasser am 11.3.2004 zugestellt, kündigte die Beteiligte zu 1) u.a. an, die Scheidung der am 11.8.1975 geschlossenen Ehe zu beantragen, wobei sie sich zur Begründung auf die Voraussetzungen der grundlegenden Zerrüttung der Ehe stützte (Art. 166 türk. ZGB). Mit Schriftsatz vom 24.3.2004 erklärte der Erblasser seine Zustimmung zu dem Scheidungsbegehren (Bl. 19 ff. d. BA.). In der mündlichen Verhandlung vom 26.8.2004, in der für die Beteiligte zu 1) niemand erschienen war, beantragte der Erblasser die Scheidung der Ehe (Bl. 35 f. d. BA.). In der mündlichen Verhandlung vom 9.3.2006 wurden die Beteiligten zu 1) und der Erblasser als Partei vernommen (Bl. 137 ff. d. BA.). Sie gaben übereinstimmend an, geschieden werden zu wollen, weil angesichts der langjährigen Trennung eine Wiederherstellung und Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei. Mit Schriftsatz vom 5.12.2006 (Bl. 185 ff. d. BA.) nahm die Beteiligte zu 1) ihren Scheidungsantrag zurück und erklärte den Widerruf aller ihrer Erklärungen hinsichtlich des Einverständnisses mit der Scheidung, und führte aus, das Verschulden des Erblassers an der Zerrüttung der Ehe überwiege. Sie widerspreche daher unter Berufung auf § 166 Satz 2 türk. ZGB der Scheidung und halte mit Rücksicht auf die Kinder an der Aufrechterhaltung der Ehe fest. Des Weiteren erklärte sie unter der Bedingung, dass der Erblasser ihr das Erdgeschoss des Wohnhauses überlasse, ihre Bereitschaft, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. In der mündlichen Verhandlung vom 7.12.2006 (Bl. 188 ff. d. BA.) erklärte der Erblasser, an seinem Scheidungsantrag festzuhalten. Die Beteiligte zu 1) beantragte, den Scheidungsantrag abzuweisen. Am 20.3.2007 erließ das AG Aachen sodann einen Beweisbeschluss u.a. zu den Fragen, ob die eheliche Gemeinschaft so grundlegend zerrüttet ist, dass den Ehegatten ihre Fortsetzung nicht zugemutet werden kann, und welche Umstände zur Trennung bzw. zur grundlegenden Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft geführt haben. Im Termin vom 19.4.2007 (Bl. 231 ff. d. BA.) wurde der Erblasser vernommen, im Termin vom 3.5.2007 (Bl. 237 ff. d. BA.) die Beteiligte zu 1). Zu der Entscheidung über den Scheidungsantrag kam es wegen des Todes des Erblassers nicht mehr.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 27.11.2012 hat die Beteiligte zu 1) zu...