Verfahrensgang
AG Kerpen (Aktenzeichen 82 Ss-OWi 121/16) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Kerpen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Kerpen hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung eines berauschenden Mittels zu der Geldbuße von 500,-- € verurteilt und ihm - verbunden mit der Zubilligung einer Abgabefrist - für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Zum Tatgeschehen hat es festgestellt, dass der Betroffene am 31. Juli 2015 seinen PKW unter dem Einfluss von Amphetamin führte. Ausweislich der Urteilsgründe ist der Betroffene im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten worden; hierbei ist ein mit Amphetamin gefülltes Überraschungsei aufgefunden worden.
Durch Urteil gleichfalls des Amtsgerichts Kerpen vom 25. Januar 2016, das am 2. Februar 2016 Rechtskraft erlangt hat, ist der Betroffene wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40,-- € verurteilt worden. Aus dem zugelassenen Anklagesatz, auf den die Urteilsgründe Bezug nehmen, ergibt sich, dass die Tat gleichfalls am 31. Juli 2015 begangen worden ist.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen rügt die Verletzung materiellen Rechts.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG statthafte, Zulässigkeitsbedenken auch im Übrigen nicht unterliegende Rechtsbeschwerde hat (vorläufigen) Erfolg, indem sie gemäß §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an die Vorinstanz führt. Das Amtsgericht hat - was bereits auf die erhobene Sachrüge beachtlich ist (vgl. BGH NStZ 2010, 160; BGH NStZ 1999, 38) - die Erörterung der Frage unterlassen, ob der Verurteilung des Betroffenen das dauernde Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs entgegensteht.
1.
a)
aa) Gemäß § 84 Abs. 1 OWiG kann eine Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden, wenn bereits eine rechtskräftige, diese als Straftat ahndende gerichtliche Entscheidung vorliegt. Der Tatbegriff des § 84 Abs. 1 OWiG deckt sich mit demjenigen der Art 103 Abs. 3 GG, § 264 StPO (vgl. Göhler, OWiG, 16. Auflage 2012, § 84 Rz. 5; KK-OWiG-Lutz 4. Auflage 2014, § 84 Rz. 1; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 84 Rz. 15). "Tat" im Sinne dieser Bestimmungen ist ein "konkretes Vorkommnis", ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet. Zu diesem Vorgang gehört das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Lebensauffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt. Zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Täters muss eine "innere Verknüpfung" bestehen, dergestalt, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (so insgesamt SenE v. 17.02.2017 - III-1 RVs 294/16; SenE v. 28.06.2016 - III-1RBs 181/16; Senat NZV 2005, 210 m. w. N.).
bb) Nach diesen Maßstäben geht die Rechtsprechung in den Fällen des Zusammentreffens von Betäubungsmittelbesitz und Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel vom Vorliegen zweier Taten im prozessualen Sinne dann aus, wenn beide ohne innere Beziehung zueinander stehen, der Drogenbesitz gleichsam nur "bei Gelegenheit" der Fahrt stattfindet (BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 09.05.2014 - III-1 RVs 49/14; SenE v. 09.02.2007 - 83 Ss 1/07 -; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 154; KG NStZ-RR 2012, 155 = NZV 2012, 305; OLG Braunschweig Urt. v. 10.10.2014 - 1 Ss 52/14 bei [...] Tz. 21; zust. König/Seitz DAR 2012, 362). Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel bei gleichzeitigem Mitsichführen von Betäubungsmitteln wird indessen angenommen, wenn die Fahrt den Zweck verfolgt, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern, also dazu dient, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Maßgeblich ist demnach eine Finalbeziehung von Fahrt und Drogenbesitz (vgl. BGH NStZ 2012, 709; BGH DAR 2012, 390; BGH NStZ 2009, 705; BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 28.06.2016 - III-1 RBs 181/16; SenE v. 09.05.2014 - III-1 RVs 49/14 -; s. zum Verhältnis von BtM-Delikt und Fahren ohne Fahrerlaubnis SenE v. 14.02.2017 - III-1 RVs 294/16 m. w. N.).
Eine diesbezügliche Erörterung drängte sich hier jedenfalls deswegen auf, weil die Zeugin M. ausweislich der Urteilsgründe angegeben hatte, bei der Kontrolle des Betroffenen sei in dessen Auto ein mit Amphetamin gefülltes Überraschungsei aufgefunden; insoweit sei - wie dies im Übrigen gängiger Praxis entspricht - eine gesonderte Strafanzeige gefertigt worden.
b)
aa...