Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsicht in Akten mit Quellcode der Gegenseite
Leitsatz (amtlich)
In einem Verfahren auf einstweilige Verfügung und Beweissicherung im Rahmen des § 101a UrhG kann der Anspruch des Antragsgegners auf Akteneinsicht - anders als der entsprechende Anspruch des Antragstellers - im Grundsatz nicht wegen Geheimschutzinteressen des Antragstellers beschränkt werden.
Normenkette
UrhG § 101a Abs. 1, 3; ZPO § 935; BGB § 809; GG Art. 103 I
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 08.07.2016; Aktenzeichen 14 OH 3/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG Köln vom 08.07.2016 - Az. 14 OH 3/15 - abgeändert, soweit das Akteneinsichtsgesuch der Antragsgegnerin zurückgewiesen worden
ist und dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin eine Geheimhaltungsverpflichtung gegenüber seiner Mandantin auferlegt worden ist.
Der Antragsgegnerin wird Akteneinsicht bewilligt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 22.10.2015 unter anderem beantragt, gegen die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung ohne vorherige mündliche Verhandlung anzuordnen, dass eine Besichtigung durch einen Sachverständigen des so genannten "Prüfautomaten D. R1" und "D. R2" (jeweils eine Softwarelösung für Abrechnungen der Leistungen einer privaten Krankenversicherung) bei der Antragsgegnerin erfolgt, bei der den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin die Anwesenheit gestattet werden sollte. Die im Einzelnen namentlich genannten prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte der Antragstellerin sollten dabei auch - so ausdrücklich der Antrag - gegenüber ihrer eigenen Mandantin und Mitarbeitern zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Weiter hat die Antragstellerin die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens beantragt, um feststellen zu können, ob durch die vorgenannten Lösungen die ihr zustehenden ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der von ihr teilweise in Kooperation mit der Antragsgegnerin oder unter Mitarbeit ihres Geschäftsführers Dr. M. entwickelten Software, die ebenfalls für die Vereinfachung der Leistungsabrechnung der von der Antragstellerin betriebenen privaten Krankenversicherung entwickelt wurde, verletzt sind.
Gegenstand der Antragsschrift waren zahlreiche Anlagen, die die Antragstellerin zur Glaubhaftmachung und zum Vergleich der Softwarelösungen der Parteien im Rahmen des von ihr beantragten Gutachtens der Antragsschrift beigefügt hat. Die Anlagen enthalten unter anderem den Quellcode der Lösung der Antragstellerin, der Ergebnis einer jahrelangen Entwicklungsarbeit und erheblicher Investitionen ist.
Das LG Köln hat dem Antrag mit Beschluss vom 10.11.2015 (nach Anpassungen durch die Antragstellerin) stattgegeben. Auf den Beschluss vom 10.11.2015 wird Bezug genommen. Die Besichtigung bei der Antragsgegnerin ist in Begleitung eines Gerichtsvollziehers durch die vom LG beauftragte Sachverständige erfolgt, die am 29.03.2016 ein Gutachten erstattet hat.
Das LG hat den Parteien mit Verfügung vom 22.04.2016 mitgeteilt, dass das Gutachten der Sachverständigen vorliege und der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben, zu etwaigen Geheimhaltungsinteressen Stellung zu nehmen.
Die Antragsgegnerin hat daraufhin Akteneinsicht beantragt, und einer Herausgabe des Gutachtens an die Antragstellerin oder deren Prozessbevollmächtigten widersprochen. Der Bewilligung von Akteneinsicht an die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin widersprochen, weil die vollständige Kenntnisgabe insbesondere der Antragsschrift ihre Geschäftsgeheimnisse verletzte und zudem auch nicht erforderlich sei.
Mit Beschluss vom 08.07.2016 hat das LG angeordnet, dass das Gutachten den jeweiligen Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Kenntnis zu geben sei. Hinsichtlich der Antragstellerin hat das LG die Geheimhaltungsverpflichtung ihres Prozessbevollmächtigten bestätigt. Den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin hat das LG gegenüber der Antragsgegnerin zur Geheimhaltung verpflichtet. Dieser Beschluss ist der Antragsgegnerin am 18.07.2016 zugestellt worden.
Gegen diesen Beschluss des LG wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 29.07.2016, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, ihr müsse in vollem Umfang Akteneinsicht bewilligt werden, weil anderenfalls ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt würde.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1. dem Akteneinsichtsgesuch stattzugeben,
2. die Unwirksamkeit der Ziffer 4., 2. Absatz, des genannten Beschlusses auszusprechen, hilfsweise die darin ausgesprochene Geheimhaltungspflicht aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, ein umfänglicher Anspruch auf Akteneinsicht bestehe nicht. Insoweit müssten ihre Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden, was im Rahmen einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte dazu führen...