Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungswidrigkeitenrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Von einer Versagung des rechtlichen Gehörs kann regelmäßig nur ausgegangen werden, wenn der Betroffene erfolglos alle ihm nach der konkreten Verfahrenslage zu Gebote stehenden prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, sich Gehör zu verschaffen. Hierzu gehört namentlich auch die Stellung von (Hilfs-)Beweisanträgen.

 

Normenkette

OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 2

 

Tenor

I. Der Zulassungsantrag wird als unbegründet verworfen.

II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).

III. Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.

 

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen ist durch das angefochtene Urteil wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften auf eine Geldbuße von 200 € erkannt worden.

Mit seinem hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt er die Versagung des rechtlichen Gehörs und beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Er rügt namentlich, dass das Tatgericht sich mit seiner Angabe in der Hauptverhandlung, er habe einen Fahrtenschreiber im Wagen, nicht auseinandergesetzt habe.

II.

Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

In dem angefochtenen Urteil ist ausschließlich eine Geldbuße von nicht mehr als 250,00 € festgesetzt worden. Die Rechtsbeschwerde ist daher nicht nach § 79 Abs. 1 S. 1 OWiG ohne weiteres statthaft, sondern bedarf gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG der Zulassung. Deren gesetzliche Voraussetzungen sind hier allerdings nicht gegeben.

Nach § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde bei weniger bedeutsamen Ordnungswidrigkeiten, bei denen sie grundsätzlich ausgeschlossen ist, nur ausnahmsweise zugelassen werden, soweit dies nämlich geboten ist, um den Oberlandesgerichten im allgemeinen Interesse Gelegenheit zu geben, durch eine Entscheidung zur Rechtsfortbildung oder zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beizutragen. Sinn der Regelung ist mithin nicht die Herstellung der rechtlich richtigen Entscheidung im Einzelfall (vgl. SenE v. 24.01.2000 - Ss 191/99 Z -; SenE v. 10.11.2000 - Ss 462/00 Z - = VRS 100, 33 = NZV 2001, 137 [138]; SenE v. 08.01.2001 - Ss 545/00 Z - = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; Göhler/Seitz-Bauer, OWiG, 18. Auflage 2021, § 80 Rz. 3 ff.; KK-OWiG-Hadamitzky, 5. Auflage 2018, § 80 Rz. 1 m. w. Nachw.).

Im Einzelnen sieht die Bestimmung des § 80 Abs. 1 OWiG vor, dass die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden kann, wenn dies entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Nr. 1) oder wenn die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2).

Beide Voraussetzungen, die danach die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichen, liegen hier nicht vor.

1.

Die von der Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung formulierte, sachlich aber auch - und eher - der Rechtsfortbildung auf dem Gebiet des Verfahrensrechts zuzuordnende Frage, ob bei einem mit einem Tachographen ausgestatteten Fahrzeug der Auszug der dem Betroffenen bei der gegenständlichen Fahrt angezeigten gefahrenen Geschwindigkeiten beizuziehen und in Augenschein zu nehmen ist, wenn dieser die ihm vorgeworfene Geschwindigkeit bestreitet, führt zunächst aus keinem der in § 80 Abs. 1 Ziff. 1 OWiG angeführten Gründe zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

a)

Zur Fortbildung des (Verfahrens-) Rechts kann die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn die inmitten stehende Frage entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig ist (Göhler-Bauer, OWiG, 19. Auflage 2024, § 80 Rz. 3). Hieran fehlt es. Ob die Amtsaufklärungspflicht zur Inaugenscheinnahme der Aufzeichnungen des Tachographen drängt, kann nur nach den jeweiligen Umständen des einzelnen Streitfalls und insbesondere unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses beantwortet werden, das die Hauptverhandlung im Übrigen erbracht hat (so zutr. KG B. v. 18.05.1999 - 2 Ss 120/99 5 Ws (B) 294/99 - Juris).

b)

Aus dem zuvor Dargelegten erhellt zugleich, dass auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegt. Er könnte nur eingreifen, wenn ansonsten schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung zu besorgen wären; dabei sind maßgebend über den Einzelfall hinausreichende, übergreifende Gesichtspunkte, die zu einer Bedeutung der Frage für die Rechtsprechung im Ganzen führen (KK-OWiG-Hadamitzky, 5. Auflage 2018, § 80 Rz. 10 m. N.). Eine solche Sachgestaltung liegt hier angesichts der dargelegten Einzelfallbezogenheit fern.

2.

Eine Versagung des rechtlichen Gehörs, die mit einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend zu machen ist (st. Senatsrechtsprechung s. nur SenE v. 20.01.2011 - III-1 RBs 316/10 -; SenE v. 04.09.2015 - III-1 RBs 293/15 -; SenE v. 23.10.2015 - III-1 RBs 362/15 -; SenE v. 21.09.2016 - III-1 RBs 282/16 -; SenE v. 07.04.2020 - III-1 ...

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