Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachliquidation von Beratungshilfegebühren wegen Änderung der Rechtsprechung
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 08.03.2011; Aktenzeichen 9 T 15/11) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 17.3.2011 wird unter Abänderung des Beschlusses der 9. Zivilkammer des LG Köln vom 8.3.2011 (9 T 15/11) und der Beschlüsse des AG Wermelskirchen vom 12.4.2010 und 15.3.2010 (3 UR II 180/06) als an den Antragsteller aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung über den bereits festgesetzten Betrag hinaus festgesetzt:
a) für die Angelegenheit Ehegattenunterhalt 97,44 EUR
b) für die Angelegenheit Kindesunterhalt 97,44 EUR
c) für die Angelegenheit Umgangs-/Sorgerecht 97,44 EUR
d) für die Angelegenheit Ehewohnung 97,44 EUR
e) für die Angelegenheit Vermögensauseinandersetzung 41,76 EUR.
Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer war 2006 im Rahmen einer seiner Mandantin bewilligten Beratungshilfe für die Angelegenheit "Getrenntleben und Ehescheidung" tätig. Entsprechend seinem Antrag vom 18.10.2006 wurde seine Vergütung (Geschäftsgebühr und Nebenkosten) mit Beschluss vom 24.10.2006 auf 97,44 EUR festgesetzt.
Unter dem 17.12.2009 beantragte er nachträglich - unter Berufung auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (AGS 2009, 79) und des OLG Köln (AGS 2009, 422), wonach die Beratung in Trennungs-, Scheidungs- und Folgesachen nicht nur eine Angelegenheit i.S.d. §§ 2, 6 BerHG, 15 RVG sei - für die Angelegenheiten "Ehegattenunterhalt", "Kindesunterhalt", "Umgangs-/Sorgerecht", "Ehewohnung", "Ehegattenunterhalt" jeweils eine weitere Vergütung in Höhe 99,96 EUR bzw. 42,84 EUR. Der Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des AG wies die Anträge durch Beschluss vom 15.3.2010 zurück. Ebenso wies die Amtsrichterin die gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung mit Beschluss vom 12.4.2010 zurück. Der darauf eingelegten Beschwerde half sie mit Beschluss vom 6.5.2010 nicht ab und legte die Sache - nach zwischenzeitlicher Klärung der Zuständigkeit des LG - unter dem 11.11.2010 (erneut) zur Entscheidung der sofortigen Beschwerde dem LG vor.
Mit Beschluss vom 8.3.2011 wies das LG die Beschwerde zurück. Das LG vertritt, wie auch das AG und der Beteiligte zu 2., die Auffassung, der Geltendmachung der Ansprüche im Wege der nachträglichen Liquidation stehe in analoger Anwendung des § 20 GKG der Gesichtspunkt der Verwirkung entgegen.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller die - von dem LG zugelassene - weitere Beschwerde eingelegt mit der Maßgabe, bei seinen Kostenrechnungen den vor dem 1.1.2007 gültigen Mehrwertsteuersatz anzusetzen.
II. Die weitere Beschwerde ist begründet.
Dem Antragsteller stehen aufgrund des erteilten Berechtigungsscheins für Beratungshilfe gem. § 44 RVG gesonderte Vergütungsansprüche zu, wie sie mit den Anträgen vom 17.12.2009 geltend gemacht worden sind.
Dass dem Antragsteller diese Ansprüche aufgrund der geänderten Rechtsprechung des OLG Köln grundsätzlich zuzubilligen sind, weil die mit dem Berechtigungsschein vom 3.1.2006 gewährte Beratungshilfe sich auf mehrere familienrechtliche Angelegenheiten bezog (vgl. Rspr. OLG Düsseldorf AGS 2009, 79; OLG Köln (16. Zs.) AGS 2009, 422 ff.; OLG Köln -17. ZS. - Rpfleger 2010, 378 ff. und 522 ff.), steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit und wird auch von den vorinstanzlichen Entscheidungen nicht in Frage gestellt.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des AG und LG, der Antragsteller sei an der Durchsetzung seiner Ansprüche gehindert.
Zwar handelt es sich bei den Anträgen vom 17.12.2009 um eine Nachliquidation und nicht um die - sieht man von der Verjährung ab - keiner Frist unterliegende erstmalige Anmeldung von Gebührenansprüchen (§ 55 RVG), denn die im Januar 2006 erfolgte antragsgemäße Bescheidung, der keine nach einer einzelnen Angelegenheit spezifizierte Antragstellung zugrunde lag, erfolgte auf der Grundlage der damaligen Rechtsprechung und Rechtspraxis, welche die im gerichtlichen Verfahren zum Verbund gehörenden einzelnen Angelegenheiten auch im Rahmen der Beratungshilfe gemäß der Fiktion des § 16 Nr. 4. RVG als einheitliche Angelegenheit ansah.
Soweit der Antragsteller seine Ansprüche mit Anträgen vom 17.12.2009 im Wege der Nachliquidation geltend macht, begegnet dies keinen Bedenken.
Abgesehen davon, dass der damaligen Entscheidung des Rechtspflegers als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle auf Auszahlung der beantragten Vergütung keine Rechtskraft zukommt (vgl. LSG Niedersachsen, AGS 2000, 231; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 5. Aufl., Rz. 770), beinhaltet sie auch nicht eine (negative) Entscheidung über die jetzigen Ansprüche, die eine Nachliquidation hindern könnte. Die jetzigen Ansprüche sind nicht geltend gemacht worden und konnten aus den oben genannten Gründen seinerzeit auch nicht erfolgreich geltend gemacht werden.
Der BGH hat mit Beschluss vom 28.10.2010 (VII ZB 15/10) die Nachfestsetzung einer restlichen Verfahrensgebühr, deren Berechtigung sich aus der Neufassu...