Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten des Verfahrens können dem Pflichtverteidiger nach § 145 Abs. 4 StPO nur in den Fällen des § 145 Abs. 1 StPO auferlegt werden, nicht aber, wenn die Hauptverhandlung aufgrund sonstigen pflichtwidrigen Verhaltens des Verteidigers ausgesetzt werden muß.
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Normenkette
StPO § 145 Abs. 4
Beteiligte
Verfahrensgang
StA Köln (Aktenzeichen 43 Js 288/99) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer hierin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Rechtsanwalt S. war früher Wahlverteidiger und seit dem 20. März 2000 Pflichtverteidiger des Angeklagten W.. Diesem war sexuelle Nötigung und Körperverletzung zum Nachteil der auch als Prostituierte tätigen M. A.-F. zur Last gelegt worden; die Zeugin A.-F. hatte ihrerseits bestritten, der Prostitution nachgegangen zu sein.
Während des Hauptverhandlungstermins am 10. Mai 2000 wurde bekannt, dass der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S. seinerseits auch zweimal sexuelle Kontakte zu der Gelegenheitsprostituierten A.-F. gehabt hatte; er hatte die Zeugin bereits anlässlich einer richterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Kerpen am 8. Februar 2000 wiedererkannt.
Im Hauptverhandlungstermin vom 10. Mai 2000 wurde daraufhin die Beiordnung von Rechtsanwalt S. als Pflichtverteidiger aus wichtigen Gründen widerrufen. In dem Beschluss heißt es: „Eine schriftliche Begründung erfolgt nach Beendigung der Hauptverhandlung”. Die Hauptverhandlung ist nicht fortgeführt worden. (Nach Neubeginn der Hauptverhandlung unter Beiordnung eines anderen Pflichtverteidigers ist später der Angeklagte am 28. Juni 2000 verurteilt worden).
Mit außerhalb der Hauptverhandlung ergangenem und von den drei Berufsrichtern unterzeichnetem Beschluss vom 19. Mai 2000 hat die Strafkammer entschieden:
„Die Kosten der Hauptverhandlung vom 02.05. bis 10.05.2000 werden nach Widerruf seiner Beiordnung Rechtsanwalt R. S., D.straße, K., auferlegt. Die Pflichtverteidigergebühren werden nicht erstattet.”
In den Gründen dieses Beschlusses ist zunächst ausgeführt, aus welchem wichtigen Grund die Beiordnung des Pflichtverteidigers zu widerrufen war. Die Kostenentscheidung ist sodann auf § 145 Abs. 4 StPO gestützt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich Rechtsanwalt S. mit der Beschwerde vom 30. Mai 2000, mit der er schon die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung zum Pflichtverteidiger für nicht gegeben hält und „unabhängig von dem Ausgang dieses Beschwerdeverfahrens” „zusätzlich ausdrücklich” Beschwerde gegen die Kostenentscheidung in dem angefochtenen Beschluss einlegt.
II.
Das Rechtsmittel ist jedenfalls als Beschwerde gegen die Auferlegung der Kosten nach § 145 Abs. 4 StPO statthaft und auch im übrigen zulässig. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob ein Pflichtverteidiger im eigenen Namen gegen seine Entpflichtung Beschwerde einzulegen berechtigt ist und ob daher § 464 Abs. 3 Halbsatz 2 StPO der Anfechtung der Kostenentscheidung entgegenstehen könnte. Um eine sofortige Beschwerde im Sinne des § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO geht es nicht. Vielmehr ist in den Fällen des § 145 Abs. 4 StPO die – einfache – Beschwerde des Verteidigers nach § 304 Abs. 1 StPO gegeben, sofern – was vorliegend ersichtlich der Fall ist – die Wertgrenze des § 304 Abs. 3 StPO eingehalten ist (vgl. Lüderssen in Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 145 Rdnr. 39).
In dem so betroffenen Umfang – und damit zum Tenor des angefochtenen Beschlusses insgesamt – ist das Rechtsmittel auch begründet.
1.
Allerdings wendet sich der Beschwerdeführer Rechtsanwalt S. ersichtlich auch und vornehmlich gegen seine schon in der Hauptverhandlung vom 10. Mai 2000 erfolgte Entpflichtung. Dies ist auch insofern nachvollziehbar, als erst mit dem Beschluss vom 19. Mai 2000 (wenngleich hier in Kammerbesetzung und damit nicht durch den nach §§ 143, 142 Abs. 1 Satz 1 StPO allein zuständigen Vorsitzenden) die Gründe für den Widerruf der Beiordnung des Pflichtverteidigers aus wichtigem Grund angegeben worden sind.
Ob insoweit der Beschwerde schon entgegensteht, dass nach h.M. der Pflichtverteidiger gegen den Widerruf seiner Bestellung kein eigenes Beschwerderecht hat, weil nur sein Kosteninteresse berührt ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 143 Rdnr. 7 m.w.N.), oder ob vorliegend etwas anderes gilt, weil der beschwerdeführende Rechtsanwalt etwa auch in seiner Ehre beeinträchtigt sein könnte, kann dahingestellt bleiben. Schon mit Vorlage der Sache an den Senat (am 9. August 2000) war das Verfahren gegen den Angeklagten nämlich rechtskräftig abgeschlossen. Eine rückwirkende (erneute) Pflichtverteidigerbestellung gibt es nach Abschluss des Verfahrens nicht. Soweit sich die Beschwerde wenigstensauch gegen die Entpflichtung vom 10. Mai 2000 richtet, ist sie also prozessual überholt und gege...