Entscheidungsstichwort (Thema)
Handelsvertreter als Arbeitnehmer?
Leitsatz (amtlich)
Entgegen der Auffassung des LG geht der Senat davon aus, dass der Beklagte deshalb nicht wegen der Regelung unter Ziff. 6.1 des Maklerkooperations-Vertrags vom 19.06.2012 als Einfirmenvertreter kraft Vertrags einzustufen ist. Dem LG ist zwar insoweit zuzustimmen, als sich aus dem Tätigkeitsbereich der Klägerin und der Produktpartnerliste so viele Einzelprodukte unterschiedlicher Anbieter ergeben, dass in diesen Bereichen kaum Produkte vorstellbar sind, die der Beklagte hätte vertreiben können, ohne dass sie nicht in Konkurrenz zu Produkten der Klägerin gestanden hätten. Das reicht allerdings nicht aus. Auch wenn dem Beklagten im Ergebnis untersagt war, überhaupt anderweitig Versicherungsverträge oder Produkte aus dem sonstigen - umfangreichen - Tätigkeitsfeld der Klägerin für andere Unternehmen zu vermitteln, stand ein solches Wettbewerbsverbot seiner Selbständigkeit nicht entgegen, sondern folgte letztlich auch aus der Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB). Der Beklagte konnte dann vielleicht nicht in seiner bisherigen Sparte und unter Ausnutzung seiner nach Ziff. 1.2 der Vereinbarung akquirierten Kontakte, aber in anderen Branchen und auf andere Art und Weise beruflich und gewerblich tätig werden, ohne dass dies durch die Klägerin genehmigt oder dieser auch nur angezeigt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sogar dahinstehen, ob mit der vertraglichen Regelung lediglich ein Konkurrenzverbot in dem Umfang statuiert worden ist, wie es sich bereits aus § 86 Abs. 2 HGB ergibt, oder ob die Regelung ein darüber hinausgehendes Tätigkeitsverbot enthält. Denn auch wenn dies der Fall wäre, reichte dies für die Annahme eines vertraglichen Tätigkeitsverbots im Sinne des § 92a Abs. 1 S. 1 HGB nicht aus, weil dadurch jedenfalls nicht die Möglichkeit ausgeschlossen würde, für Unternehmer eines anderen Wirtschaftszweigs außerhalb der Vermittlung von Versicherungsverträgen und weiteren Tätigkeitsbereichen der Klägerin tätig zu werden.
Normenkette
ArbGG § 5 Abs. 3; HGB § 92a
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 18.03.2016; Aktenzeichen 9 O 29/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Aachen vom 18.03.2016 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 03.05.2016 aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Provisionsrückforderungsansprüche i.H.v. 5.775,88 EUR nebst Zinsen wegen stornierter Versicherungsverträge geltend, die von dem Beklagten vermittelt worden sind. Die Klägerin ist unter anderem mit der Vermittlung von Kapitalanlagen, Immobilien, Versicherungen, Darlehen sowie Finanzdienstleistungen befasst. Der Beklagte war bis zum 31.12.2014 aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen "Maklerkooperations-Vertrag(s)" vom 19.06.2012 (Bl. 16 ff. GA) tätig. Dieser Vertrag enthält unter anderem folgende Regelungen:
1.4 Der Handelsmakler ist in seiner Entscheidung frei, ob und wann er Gelegenheiten zur Vermittlung von Vertragsprodukten an Mandanten wahrnimmt. Eine Verpflichtung zum Tätigwerden wird durch diese Kooperationsvereinbarung nicht begründet.
6.1 Der Handelsmakler verpflichtet sich, während der Laufzeit dieser Vereinbarung ohne die vorherige schriftliche Zustimmung von VBC (Klägerin) keine Produkte zu vertreiben oder durch Dritte vertreiben zu lassen, die eine Konkurrenz für die Vertragsprodukte darstellen, und sich weder direkt noch indirekt an dem Vertrieb solcher Konkurrenzprodukte im Vertragsgebiet zu beteiligen.
In den Monaten Juli bis Dezember 2014 verdiente der Beklagte lediglich im August 2014 179,21 EUR an Provision.
Das LG Aachen hat mit Beschluss vom 18.03.2016 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Aachen verwiesen. Es hat ausgeführt, dass der Beklagte als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes gemäß § 5 Abs. 3 ArbGG gelte, weil er zu dem Personenkreis gehöre, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden könne. Bei dem Beklagten handele es sich um einen Einfirmenvertreter kraft Vertrages, da es ihm aufgrund der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung, insbesondere des Wettbewerbsverbots gemäß Ziff. 6.1 und des Umfangs der darunter fallenden Vertragsprodukte, verwehrt gewesen sei, seine ausweislich Ziff. 1.2 der Vereinbarung bestehenden Kontakte anderweitig zu nutzen. Auch die Bezeichnung als Handelsmakler ändere daran nichts, da die Vereinbarung dem Beklagten nur die Wahl gelassen habe - soweit er seine Kontakte habe nutzen wollen oder aus finanziellen Gründen habe nutzen müssen - ständig mit Vermittlungstätigkeiten für die Klägerin betraut zu sein, wodurch er nicht als Handelsmakler, sondern als Handelsvertreter tätig geworden sei.
Die Klägerin hat gegen den Beschluss des...