Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 29.04.2005; Aktenzeichen 242 Z) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das AG Köln zurückverwiesen.
Gründe
I. Das AG hat den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit "gem. §§ 23 Abs. 1 Nr. 1a, 49 StVO" - gemeint: § 23 Abs. 1a, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO - zu einer Geldbuße von 40 EUR verurteilt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, die er mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.
Durch Beschluss vom 18.8.2005 hat der Einzelrichter des Senats die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und die Sache dem Senat zur Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a Abs. 3 OWiG).
II. Die nach ihrer Zulassung gem. § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gem. §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das AG (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt.
Der Betroffene rügt zu Recht, dass der Schuldspruch des angefochtenen Urteils, der wegen fehlender Feststellung der Schuldform ohnehin unvollständig ist, auf einer Verletzung des sachlichen Rechts beruht. Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen eine Pflicht des Kraftfahrzeugführers nach § 23 StVO findet in den tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellungen keine tragfähige Grundlage.
a) Nach § 23 Abs. 1a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält. Das AG legt dem Betroffenen zur Last, als Führer des Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen ... am 2.6.2004 um 7.45 Uhr auf der BAB 3 in Fahrtrichtung G. bei km 137,8 gegen diese Bestimmung verstoßen zu haben, und führt dazu aus:
"Der Betroffene ließ sich dahin gehend ein, dass das ausgeschaltete Handy links im Ablagefach lag. Das Handy rappelte während der Fahrt und er ergriff bei der Fahrt mit der linken Hand das Handy und legte es auf die Mittelkonsole, damit es nicht wieder rappelte.
Allein dieses Verhalten ist schon nach § 23 Abs. 1a StVO bußgeldbewehrt.
Denn die Norm will verhindern, dass der Fahrer während der Fahrt abgelenkt und unkonzentriert wird und somit auch nicht mit beiden Händen das Steuer hält und den Verkehr aufmerksam beobachtet. Dieses Ziel wird auch durch das vom Betroffenen geschilderte Verhalten verfehlt. So auch, wenn er das eingeschaltete Handy nur in eine Hand nimmt, um die Uhrzeit abzulesen.
Daher war der Bescheid [sc. Bußgeldbescheid] schon nach der eigenen Einlassung des Betroffenen zu bestätigen. Zeugen brauchten nicht gehört zu werden."
b) Diese Sichtweise zum Normgehalt der Bestimmung des § 23 Abs. 1a StVO ist rechtsfehlerhaft. Sie überschreitet die äußersten Grenzen verfassungskonformer richterlicher Auslegung, die durch den (noch) möglichen Wortsinn markiert wird (BVerfG v. 23.10.1985 - 1 BvR 1053/82, BVerfGE 71, 108 [114 ff.] = NJW 1986, 1671 = NStZ 1986, 261; v. 11.11.1986 - 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, BVerfGE 73, 206 [234 ff.] = MDR 1987, 201 = NJW 1987, 43 [44]; v. 10.1.1995 - 1 BvR 718/89, 1 BvR 719/89, 1 BvR 722/89, 1 BvR 723/89, BVerfGE 92, 12 = MDR 1995, 833 = NJW 1995, 1141; BGHSt 4, 144 [148] = NJW 1953, 1190; BGH v. 13.11.1979 - 5 StR 166/79, BGHSt 29, 129 [133] = MDR 1980, 157 = NJW 1980, 350; Rogall in Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 3 Rz. 53, m.w.N.; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 3 Rz. 6; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 1 Rz. 11 f., m.w.N.).
Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, sofern er zu diesem Zweck das Gerät aufnimmt oder hält.
Dabei schließt der Begriff der Benutzung nach dem allgemeinen Sprachverständnis einerseits die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen ein. Er umfasst also nicht nur das Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung. Demgemäß wird in der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 599/00, 18 zu Art. 1 Nr. 4 der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften v. 11.12.2000 - BGBl. I 1690) hervorgehoben, dass neben dem Gespräch im öffentlichen Fernsprechnetz auch "die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet etc." verboten sein sollen. Darüber hinaus kann unter Benutzung eines Mobiltelefons auch die Wahrnehmung der von Geräten neuerer Bauart zur Verfügung gestellten vielfältigen Möglichkeiten als Instrument zur Speicherung, Verarbeitung und Darstellung von Daten (Organisatorfunktionen, Diktier-, Kamera- u. Spielefunktionen) verstanden werden (OLG Hamm v. 25.11.2002 - 2 Ss OWi 1005/02, CR 2003, 583 = NJW 2003, 912 = VRS 104, 222 = NZV 2003, 98 = VM 2003, 45 (Nr. 45) = DAR 2003, 473; v. 6.7.2005 - 2 Ss OWi 177/05, CR 2006, 29 = NJW 2005, 2469 [Ablesen d...