Entscheidungsstichwort (Thema)

Ergänzungspflegschaft durch das Jugendamt (bei Erbausschlagung)

 

Leitsatz (amtlich)

Der Sorgeberechtigte ist verhindert, für sein minderjähriges Kind eine zu erlassende familiengerichtliche Genehmigung über die Ausschlagung der Erbschaft nach seinem verstorbenen Vater entgegenzunehmen und unter Berücksichtigung des Kindeswohles über die Ausübung des Beschwerderechts hiergegen zu entscheiden. Dies folgt aus §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1643 Abs. 2, 1796 Abs. 2, 1909 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 41 Abs. 3, 9 Abs. 2, 15 Abs. 2 FamFG, 170 Abs. 1 ZPO. Dem minderjährigen Kind ist hierfür ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

Die Ermittlung einer zur Übernahme der Ergänzungspflegschaft bereiten und geeigneten Person obliegt dem Familiengericht von Amts wegen (§ 26 FamFG).

Welche Person zum Ergänzungspfleger zu bestellen ist, beurteilt sich nach §§ 1915 Abs. 1, 1791b Abs. 1 BGB. Aus der Formulierung von § 1791b Abs. 1 BGB ergibt sich in der Zusammenschau mit §§ 1791a Abs. 2 Satz 2, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB und den jugendhilferechtlichen Bestimmungen (§§ 53 Abs. 1, 56 Abs. 4 SGB VIII) eine gewisse Abfolge bei der Bestimmung der Personen des Ergänzungspflegers: Danach ist in erster Linie ein ehrenamtlicher Einzel- oder ein Vereinspfleger, hilfsweise ein berufsmäßiger Pfleger zu bestellen. Das Jugendamt ist "Reservepfleger"; es kann erst bestellt werden, wenn trotz der gebotenen Ermittlungen kein geeigneter anderer Pfleger gefunden werden kann (so KG FamRZ 2010, 1998, 1999 m.w.N.).

Das Familiengericht kann sich bei seiner Ermittlungstätigkeit auch des Jugendamtes mit der Aufforderung, geeignete Personen oder Vereine vorzuschlagen (§§ 1779 BGB, 53 Abs. 1 SGB VIII), bedienen. Bleibt die Einschaltung erfolglos, hat das Gericht zu entscheiden, ob weitere Nachforschungen Erfolg versprechend sind oder ob das Jugendamt als Ergänzungspfleger zu benennen ist.

 

Normenkette

BGB § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1643 Abs. 2, § 1796 Abs. 2, § 1909 Abs. 1; FamFG § 41 Abs. 3, § 9 Abs. 2, § 15 Abs. 2; ZPO § 170 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 14.04.2011; Aktenzeichen 456 F 45/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Jugendamtes der Stadt Bonn gegen den Beschluss des AG - Familiengericht Bonn - vom 14.4.2011 in Verbindung mit dem Teilabhilfebeschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 9.6.2011 - beide 456 F 45/10 -, mit welchen bezüglich des beteiligten Kindes S. H. Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 BGB mit dem Wirkungskreis der Vertretung des Kindes hinsichtlich der Entgegennahme der familiengerichtlichen Entscheidung in der Erbausschlagungsangelegenheit nach dem verstorbenen B. H. sowie die Ausübung eines eventuellen Beschwerderechts hiergegen angeordnet und als Ergänzungspfleger das Amt für Kinder, Jugend und Familie der Bundesstadt Bonn ausgewählt worden ist, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig. Bei der Anordnung von Ergänzungspflegschaft, damit das Kind im Verfahren zur Genehmigung einer Erbausschlagung vertreten werden kann, handelt es sich um eine Endentscheidung, mit der das entsprechende Verfahren abgeschlossen wird. Hiergegen findet die Beschwerde nach §§ 58 Abs. 1, 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG statt. Grundsätzlich war somit eine Teilabhilfe nicht möglich. Gleichwohl handelt es sich um eine wirksame und nicht nichtige Entscheidung des Familiengerichtes, mit der nur eine inhaltliche Klarstellung erfolgte, so dass der Senat diese mit vorliegendem Beschluss bestätigen konnte. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen der §§ 58 ff. FamFG vor, insbesondere ist das Jugendamt als betroffene Behörde beschwerdeberechtigt, und die Beschwerde ist in der Beschwerdefrist eingelegt worden.

In der Sache bleibt dem Rechtsmittel jedoch der Erfolg versagt. Das Familiengericht hat dem beteiligten Kind zu Recht einen Ergänzungspfleger bestellt. Denn die allein sorgeberechtigte Mutter ist verhindert, für den betroffenen Sohn eine zu erlassende familiengerichtliche Genehmigung über die Ausschlagung der Erbschaft nach seinem verstorbenen Vater entgegenzunehmen und unter Berücksichtigung des Kindeswohles über die Ausübung des Beschwerderechts hiergegen zu entscheiden. Dies folgt aus §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1643 Abs. 2, 1796 Abs. 2, 1909 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 41 Abs. 3, 9 Abs. 2, 15 Abs. 2 FamFG, 170 Abs. 1 ZPO. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob vorliegend ein erheblicher Interessengegensatz i.S.v. § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB i.V.m. § 1796 Abs. 2 BGB bei der allein sorgeberechtigten Mutter gegeben ist. Vielmehr ist darauf abzustellen, dass die allein sorgeberechtigte Kindesmutter an der Entgegennahme des Beschlusses, mit dem die Erbausschlagung vom Familiengericht genehmigt wird, verhindert ist. Nach § 41 Abs. 3 FamFG ist ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen bekannt zu geben, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird. Die Vorschrift trägt der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG NJW 2000, 1709-1711) Rechnung, wonach dem materiell-rechtlich Beteiligten die Möglichkei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge