Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Erfolgsaussichten der Verteidigung gegen eine Klage wegen des unerlaubten Anbietens eines Computerspiels im Internet
Leitsatz (amtlich)
1. Jedenfalls im Prozesskostenhilfeverfahren kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Unterlassungsantrag wahlweise auf eine Haftung als Täter oder als Störer abstellen kann.
2. Die tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber eines Internetanschlusses für eine von diesem Anschluss aus begangene Rechtsverletzung verantwortlich ist, ist entkräftet, wenn unstreitig ein Dritter Zugriff auf den Internetanschluss hatte und als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt.
3. Der Einwand des auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten, die IP-Adresse sei fehlerhaft ermittelt worden, kann im Klageverfahren nicht mit der Begründung als unbeachtlich angesehen werden, die fehlerfreie Arbeitsweise der Ermittlungssoftware sei in einem Verfahren vor einem anderen Gericht festgestellt worden. Auch die Feststellungen in den Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG sind nicht präjudiziell.
4. Die Frage, ob der Inhaber eines Internetanschlusses als Störer haftet, wenn er seinem Ehepartner die Teilnahme an sog. Tauschbörsen nicht ausdrücklich untersagt bzw. diesen auf die Rechtswidrigkeit eines solchen Verhalten hingewiesen hat, ist bisher ungeklärt.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 1-2, § 101 Abs. 9
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 28. Zivilkammer des LG Köln vom 21.1.2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten der Verteidigung gegen die Klage versagt werden darf.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Verwertungsrechte für ein Computerspiel inne; sie nimmt die Beklagte wegen Verletzung dieser Rechte auf Unterlassung, Schadensersatz und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Klägerin behauptet, die von ihr mit der Erfassung von Urheberrechtsverstößen beauftragte M. AG habe festgestellt, dass das zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichte Computerspiel am 4.11.2009 um 7.48.03 Uhr von der IP-Adresse 79.21.98.20140 im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden sei. Diese Adresse sei zu dem fraglichen Zeitpunkt der Beklagten zugeordnet gewesen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen das Computerspiel ohne Zustimmung der Klägerin im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bzw. Dritten dieses zu ermöglichen, sowie an die Klägerin 651,80 EUR an Kosten einer am 3.3.2010 ausgesprochenen Abmahnung, berechnet nach einem Streitwert i.H.v. 10.000 EUR, und 510 EUR als fiktive Lizenzgebühr zu zahlen.
Für ihre Verteidigung hiergegen hat die Beklagte Prozesskostenhilfe beantragt und behauptet, sie selbst habe das Computerspiel nicht im Internet angeboten; ihr Ehemann habe ebenfalls Zugang zu ihrem Internetanschluss gehabt, sie habe den hier in Rede stehenden Vorwurf mit diesem vor seinem Versterben am 21.4.2010 nicht mehr erörtern können. Sie bestreite, dass die Ermittlung der IP-Adresse ordnungsgemäß erfolgt sei.
Das LG hat den Antrag vollständig zurückgewiesen, weil die Rechtsverteidigung der Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten.
II. Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
1. Der Klageantrag zu 1 (Unterlassungsantrag) ist in seiner derzeitigen Fassung unbestimmt. Die Klägerin zielt mit dem Antrag offensichtlich mit der ersten Variante auf eine Inanspruchnahme der Klägerin als Täterin und mit der zweiten Variante als Störerin ab. Dabei geht die Klägerin zutreffend davon aus, dass der Antrag, ein Werk im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die konkrete Verletzungsform verfehlt, wenn die in Anspruch genommene Person als Störer haftet (vgl. BGH GRUR 2010, 633 Tz. 35 - Sommer unseres Lebens). Das bedeutet aber nicht, dass eine alternative Fassung des Antrags zulässig wäre. Vielmehr muss sich, wenn der Beklagte als Störer in Anspruch genommen wird, der Antrag darauf beschränken, es zu unterlassen, außenstehenden Dritten Rechtsverletzungen der genannten Art in der die Störerhaftung begründenden Weise zu ermöglichen (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 36, dort zur Haftung wegen einer unzureichenden Sicherung eines WLAN-Anschlusses). Dabei dürfte die Formulierung des BGH, der Kläger müsse seinen Antrag "beschränken", nicht dahin zu verstehen sein, dass der auf eine Störerhaftung abzielende Antrag als Minus in dem auf die Untersagung einer Begehung als Täter gerichteten Antrag enthalten ist. Denn zum einen hat der BGH darauf hingewiesen, dass eine Anpassung der Klageantrags erforderlich sei, wessen es bei einem bloßen Minus regelmäßig nicht bedarf, zum anderen unterscheidet sich nicht nur der Antrag, sondern auch der die Haftung begründende Lebenssachverhalt, so dass es nahe liegt, von zwei unterschiedlichen Streitgegenständen auszugehen. In...