Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 06.01.2014; Aktenzeichen 22 Qs - 785 Js 481/12 - 74/13) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 06.01.2014 (Az. 22 Qs - 785 Js 481/12 - 74/13) wird aufgehoben.
Die Beschwerde der Rechtsanwältin T gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Bonn vom 06.11.2013 wird verworfen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Rechtsanwältin T ist dem früheren Angeklagten durch Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 28.08.2012 als Pflichtverteidigerin beigeordnet worden. Durch Urteil vom 06.05.2013 hat das Amtsgericht Bonn den Angeklagten u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen L zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Der Verletzte hat mit Schriftsatz seines Vertreters, Rechtsanwalt G, vom 06.11.2012 beantragt, den Angeklagten im Adhäsionsverfahren zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen zu verurteilen. Nachdem Rechtsanwältin T und das Amtsgericht darauf hingewiesen hatten, dass der Adhäsionsantrag unzulässig sei, da der Angeklagte Jugendlicher sei, nahm Rechtsanwalt G den Antrag mit Schriftsatz vom 5.12.2012 zurück.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte die Verteidigerin u. a. die Festsetzung einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4143 VV RVG für ihre Tätigkeit im Adhäsionsverfahren. Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Bonn hat durch Beschluss vom 06.11.2013 die Festsetzung dieser Gebühr mit der Begründung abgelehnt, Rechtsanwältin T sei dem Angeklagten im Adhäsionsverfahren nicht beigeordnet worden. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht Bonn durch Beschluss vom 06.01.2014 unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 29.06.2005 (Az. 2 Ws 254/05) angeordnet, dass der Beschwerdeführerin die von ihr beantragte Gebühr Nr. 4143 VV RVG zuzüglich Mehrwertsteuer zu erstatten sei. Zugleich hat das Landgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die weitere Beschwerde zugelassen. Daraufhin hat der Bezirksrevisor beim Landgericht Bonn mit Schreiben vom 16.01.2014 weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Die weitere Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Der Pflichtverteidigerin steht mangels Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe kein Anspruch auf Erstattung der Gebühr Nr. 4143 VV RVG für das Adhäsionsverfahren gegen die Staatskasse zu.
1.
Die Frage, ob sich die Pflichtverteidigung auf die Vertretung im Adhäsionsverfahren erstreckt oder ob insoweit eine Beiordnung des Pflichtverteidigers im Wege der Prozesskostenhilfe erforderlich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der Senat hat in der bereits genannten Entscheidung vom 29.06.2005 (Az. 2 Ws 254/05) die Auffassung vertreten, die Beiordnung als Pflichtverteidiger gem. § 140 StPO erstrecke sich auch auf das Adhäsionsverfahren. Einer besonderen Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 StPO bedürfe es nicht. Diese Auffassung wird von einigen Oberlandesgerichten und weitgehend von der Literatur geteilt (vgl. OLG Schleswig, NStZ 1998, 101; OLG Hamm, StraFo 2001, 361; OLG Köln, StraFo 2005, 394; OLG Hamburg [1. Strafsenat], wistra 2006, 37; OLG Dresden, AGS 2007, 404; OLG Rostock, StV 2011, 656 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., Rdn. 5 zu § 140; Laufhütte in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 140 Rdn. 4; Laufhütte, Willnow in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage, § 140 Rdn. 4; Burhoff, RVG, 3. Aufl., Rdn. 19 zu Nr. 4143 VV; Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl. Nr. 4143, 4144 VV RVG Rdn. 5).
Diese Auffassung stützt sich vor allem auf die enge tatsächliche und rechtliche Verbindung zwischen der Verteidigung des Angeklagten gegen die ihm vorgeworfene Straftat und der Abwehr der auf diese Straftat gestützten zivilrechtlichen Ersatzansprüche des Verletzten. Die Trennung zwischen der Tätigkeit des Pflichtverteidigers und derjenigen des anwaltlichen Vertreters im Adhäsionsverfahren sei nicht möglich. Es sei praktisch keine Tätigkeit des Pflichtverteidigers für den Angeklagten denkbar, die nicht zugleich zumindest auch Einfluss auf die Höhe des im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruchs habe. Ob dieser Gesichtspunkt die Auffassung trägt, hat der BGH in der Entscheidung vom 30.3.2001 (StraFo 2001, 306) offengelassen. Des Weiteren wird angeführt, die Beiordnung des Pflichtverteidigers erstrecke sich auf das gesamte Strafverfahren und damit auch auf das Adhäsionsverfahren. Das Gegenteil habe der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmen müssen. Zudem rechtfertige sich die Differenzierung zwischen dem Beistand des Nebenklägers und dem Pflichtverteidiger daraus, dass die Staatskasse auf Seiten des Nebenklägers nicht unabhängig von der Erfolgsaussicht mit Gebührenansprüchen für überhöhte Ersatzansprüche belastet werden solle. Dieses Missbrauchsrisiko bestehe bei der Abwehr der Ansprüche durch den Pflichtverteidiger aber nicht. Sc...