Leitsatz (amtlich)
Die in §§ 411 Abs. 2, 329 Abs. 1 StPO bezeichnete schriftliche Vertretungsvollmachtmuss dem Tatgericht in der Hauptverhandlung vom anwesenden Verteidiger vorgelegt bzw. nachgewiesen werden. Eine Übermittlung per Telefax am Vortag an die allgemeine Posteingangsstelle des Gerichts hindert den Erlass eines Verwerfungsurteils nicht, wenn die schriftliche Vollmacht bis zu Beginn der Hauptverhandlung nicht zur Kenntnis des Tatgerichts gelangt ist und vom Verteidiger in der Hauptverhandlung auch nicht vorgelegt wird.
Verfahrensgang
AG Köln (Entscheidung vom 03.11.2016) |
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 3. November 2016 wird als unbegründet verworfen.
Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Köln hat die Angeklagte mit Anklageschrift vom 18. Januar 2016 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und Sachbeschädigung, begangen am 30. August 2015, angeklagt. In dem nach Eröffnung durchgeführten Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Köln am 27. Juli 2016 ist sie, nachdem sie durch Beschluss vom 26. Juli 2016 von dem persönlichen Erscheinen zu diesem Fortsetzungstermin durch das Amtsgericht entbunden worden war, nicht erschienen. Das Amtsgericht hat die Angeklagte daraufhin durch Strafbefehl nach § 408a StPO, unter Einbeziehung der Verurteilung aus dem Verfahren 706 Ds 359/15 AG Köln- zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt. Gegen diesen Strafbefehl, der dem Verteidiger am 4. August 2016 zugestellt worden war, hat die Angeklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 12. August 2016, eingegangen beim Amtsgericht per Telefax am 15. August 2016, Einspruch eingelegt und den Abteilungsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Nachdem das Befangenheitsgesuch wegen eines eindeutigen Verfahrensfehlers für begründet erachtet und das Verfahren an eine andere Abteilung abgegeben worden ist, hat diese auf den Einspruch am 3. November 2016 Hauptverhandlungstermin anberaumt, zu dem die Angeklagte nicht erschienen ist. Der in der Hauptverhandlung anwesende Verteidiger hatte am Vortag mit Schreiben vom 2. November 2016, eingegangen per Telefax auf der Fernkopierstelle als gemeinsame Briefannahmestelle des Landgerichts und des Amtsgericht Köln am selben Tag um 14:39 Uhr, eine von der Angeklagten unterzeichnete Vollmacht eingereicht, die u.a. folgenden Wortlaut hat:
"...erteile hiermit Rechtsanwalt Eike Schulte in Köln in dem gegen mich gerichteten Strafverfahren Staatsanwaltschaft Köln 921 Js 2012/15... Vollmacht zu meiner Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen. Er ist insbesondere auch befugt, mich in allen Verhandlungen zu vertreten ..."
In der Hauptverhandlung am 3. November 2016 hat sich der zwischenzeitlich beigeordnete Verteidiger auf sein anwaltliches Schweigerecht berufen und keine weiteren Erklärungen abgegeben, insbesondere auf Nachfrage des Gerichts keine Auskunft hinsichtlich eines etwaigen Kontakts zu seiner Mandantin erteilt. Daraufhin hat das Amtsgericht den Einspruch in Anwendung des § 412 StPO mit der Begründung verworfen, die Angeklagte sei im Termin zur Hauptverhandlung, ungeachtet der durch die Zustellungsurkunde nachgewiesenen Ladung, ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden.
Gegen dieses, dem Verteidiger am 8. November 2016 zugestellte Urteil hat die Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 4. November 2016, eingegangen bei dem Amtsgericht am 8. November 2016, zunächst Berufung eingelegt. Mit weiterem Schriftsatz vom 24. November 2016, eingegangen beim Amtsgericht am 28. November 2016, hat der Verteidiger den Übergang der Berufung in die Revision erklärt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere einen Verstoß gegen die §§ 411, 412 StPO, gerügt.
II.
Das form- und fristgerecht eingelegte Sprungrevision bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des Verwerfungsurteils auf Grund der Revisionsbegründung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
1.
Die Verfahrensrüge wegen Verletzung der Vorschriften über die Einspruchsverwerfung gemäß §§ 411, 412 StPO genügt in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO, sie ist jedoch nicht begründet.
Die Verfahrensweise des Amtsgerichts, das den Einspruch gegen den Strafbefehl vom 27. Juli 2016 in der Hauptverhandlung vom 3. November 2016, zu der die Angeklagte ohne Entschuldigung nicht erschienen war, verworfen hat, ist frei von Rechtsfehlern.
Nach dem Wortlaut des § 411 Abs. 2 StPO kann sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung im Verfahren über den Einspruch gegen einen Strafbefehl durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen, in der dieser über die allgemeine Verteidigervollmacht hinaus ausdrücklich zur Vertretung ermächtigt wird. Aufgrund der allgemeinen Verteidigervollmacht wird de...