Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen der ausschließlichen Zuständigkeit des LG gem. § 102 Abs. 1 EnWG sind nicht erfüllt, wenn ausschließlich die Rechtsfolgen von Vertragsverletzungen eines einzelnen Kunden, insb. die Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen, im Streit stehen.
2. Nimmt das Energieversorgungsunternehmen einen Kunden vor dem Hintergrund dargelegter Zahlungsrückstände auf Duldung des Zutritts zu seinen Räumlichkeiten zum Zwecke der Einstellung der Energie- und Wasserversorgung sowie des Ausbaus der Strom-, Gas- und Wasserzähler in Anspruch, folgt die sachliche Zuständigkeit des AG aus § 23 Nr. 1 GVG und nicht die des LG aus § 102 Abs. 1 EnWG.
Normenkette
EnWG § 102 Abs. 1; ZPO § 281
Verfahrensgang
AG Wipperfürth (Aktenzeichen 9 C 496/07) |
Tenor
Zuständig ist das AG Wipperfürth.
Gründe
Das zuständige Gericht ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen, nachdem sich sowohl das AG Wipperfürth mit Beschluss vom 14.9.2007 als auch das LG Köln mit Beschluss vom 8.10.2007 für unzuständig erklärt haben (§§ 36 Abs. 1 Ziff. 6, Abs. 2, 37 ZPO).
1. Sachlich und örtlich zuständig ist das AG Wipperfürth. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 23 Nr. 1 GVG, die örtliche aus § 22 StromGVV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz - Stromgrundversorgungsverordnung), § 22 GasGVV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz - Gasgrundversorgungsverordnung) und im Übrigen aus den §§ 937 Abs. 1, 29 ZPO (BGH NJW 2003, 3418; Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 29 Rz. 25 "Energieversorgungsverträge", m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des AG Wipperfürth ergibt sich aus § 102 Abs. 1 EnWG (Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung - Energiewirtschaftsgesetz) keine ausschließliche Zuständigkeit des LG, wenn - wie hier - lediglich die Rechtsfolgen der Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen des Kunden eines Energieversorgungsunternehmens im Streit stehen. Ein diesbezüglicher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wie er den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet, stellt keine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.v. § 102 Satz 1 EnWG dar, die sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergibt; die Entscheidung des Rechtstreits hängt auch nicht i.S.v. § 102 Satz 2 EnWG ganz oder teilweise von einer Entscheidung ab, die nach diesem Gesetz zu treffen ist (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 14.9.2007 - 8 W 75/07; ebenso LG Kassel, Urt. v. 10.5.2007 - 1 S 430/06, BeckRS 2007, 09957, LSK 2007, 410162).
a) Ob sich die Rechtsstreitigkeit aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergibt oder von einer hiernach zu entscheidenden Vorfrage abhängt, bestimmt sich nach dem prozessual geltend gemachten Anspruch, also dem Klagebegehren (ebenso LG Kassel, a.a.O.; für den Parallelfall des § 87 GWB: Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 87 Rz. 9 m.w.N.). Hier begehrt die Antragsstellerin vor dem Hintergrund dargelegter Zahlungsrückstände des Antragsgegners die Duldung des Zutritts zu seinen Räumlichkeiten zum Zwecke der Einstellung der Energie- und Wasserversorgung sowie des Ausbaus der Strom-, Gas- und Wasserzähler. Im Streit stehen damit weder die Grundversorgungspflicht des Energieversorgungsunternehmens (§ 36 EnWG) noch eventuelle Ausnahmen von der Grundversorgungspflicht (§ 37 EnWG). Denn die §§ 36, 37 EnWG betreffen lediglich den Anspruch des Kunden gegen den Grundversorger auf Abschluss eines Versorgungsvertrages und damit ausschließlich das "Ob" eines Vertragsschlusses (Kontrahierungszwang), wohingegen sich die Einzelheiten der vertraglichen Ausgestaltung nach den Strom- und Gasgrundversorgungsverordnungen richten, die gemäß ihres jeweiligen § 1 Vertragsbestandteil der Versorgungsverträge mit dem Kunden werden, sowie ergänzend nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, nicht aber nach dem Energiewirtschaftsgesetz (LG Kassel, a.a.O.). Ihre Pflicht, den Antragsgegner mit Strom und Gas zu beliefern, erkennt die Antragstellerin vorliegend nicht nur an. Sie hat den Anspruch des Antragsgegners auf entsprechende Vertragsabschlüsse sogar bereits erfüllt, indem sie mit ihm entsprechende Belieferungsverträge abschloss. Allerdings obliegt der Antragstellerin die Belieferung des Antragsgegners nur nach den Allgemeinen Bedingungen für die Grundversorgung in Niederspannung und Niederdruck und unter Zugrundelegung der Allgemeinen Preise (§ 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG). Sie ist nicht etwa verpflichtet die Grundversorgung kostenlos zu erbringen und muss auch Vertragsverletzungen des Kunden, insbesondere die Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, nicht rechtlos hinnehmen.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind ausschließlich die Rechte der Antragstellerin infolge eines behaupteten Zahlungsverzugs des Antragsgegners. Die Rechte des Energieversorgungsunternehmens im Falle einer Vertragsverle...