unanfechtbar
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verletzung des Steuergeheimnisses durch Vorlage von Steuerakten beim Vollstreckungsgericht
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Entscheidung über den Erlaß eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung auf Antrag des Finanzamts (§ 284 Abs. 8 AO) ist der Richter des Vollstreckungsgerichts zur eigenständigen Überprüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen berechtigt und verpflichtet.
2. Eine Vorlage von Steuerbescheiden an das Vollstreckungsgericht im Verfahren der Haftanordnung (§ 284 Abs. 8 AO) steht das von der Finanzbehörde zu wahrende Steuergeheimnis nicht entgegen.
Leitsatz (redaktionell)
Da der Vollstreckungsrichter zu eigenständiger Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen berechtigt und verpflichtet ist, dürfte der Nachweis der Bestandskraft eines Bescheides nicht allein durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Bescheides und der Urkunde über seine Zustellung an den Betroffenen, sondern regelmäßig nur durch Vorlage der Steuerakte zu führen sein, weil sich aus dem Bescheid und seiner Zustellung allein noch nicht ergibt, dass der Betroffene keinen Rechtsbehelf eingelegt hat.
Normenkette
AO §§ 30, 322 Abs. 3, § 284 Abs. 8-9; GG Art. 104
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 5 T 89/00) |
AG Aachen (Aktenzeichen 13 M 425/00) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Gläubigers vom 25. April 2000 gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 28. März 2000 – 5 T 89/00 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Gläubiger zu tragen.
Gründe
1. Der Gläubiger hat das Amtsgericht Aachen mit Antrag vom 14. Februar 2000 – gemäß § 284 Abs. 7 AO – gemeint ist ersichtlich § 284 Abs. 8 AO – ersucht, gegen den Schuldner die Haft zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung anzuordnen. In dem Antrag wird ausgeführt, der Schuldner schulde an Steuern und steuerlichen Nebenleistungen einen Betrag von insgesamt DM 14.365,12.
Durch Beschluß vom 24. Februar 2000 hat das Amtsgericht diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, es fehle – wie in früher entschiedenen gleich gelagerten Fällen – an der schlüssigen Darlegung und den erforderlichen Nachweisen dafür, daß die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind. Gegen diesen ihm am 7. März 2000 zugestellten Beschluß hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 15. März 2000, der bei dem Amtsgericht am 17. März 2000 eingegangen ist, sofortige Beschwerde erhoben. Dieses Rechtsmittel hat das Landgericht Aachen durch Beschluß vom 28. März 2000 zurückgewiesen, der dem Gläubiger am 10. April 2000 zugestellt worden ist. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Gläubiger mit der sofortigen weiteren Beschwerde vom 25. April 2000.
2. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 284 Abs. 9 Satz 2 AO statthaft und in rechter Frist (§ 577 Abs. 2 ZPO) eingelegt worden. Allerdings ist ein neuer selbständiger Beschwerdegrund im Sinne von § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO (vgl. hierzu Senat, NJW-RR 1990, 511; Senat, ZIP 1995, 1832 [1833]; Senat, ZIP 1995, 1835; Senat, Rpfleger 1996, 79 [80]; Senat, NJW-RR 1996, 1022; Senat, InVo 1997, 139; Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 568, Rdn. 6 ff, 16 ff) nicht gegeben: Die Entscheidungen der Vorinstanzen stimmen im Ergebnis überein, und ein Verfahrensfehler ist dem Landgericht entgegen der Auffassung des Gläubigers nicht unterlaufen. Gegen die Anwendung des § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann indes sprechen, daß § 284 Abs. 9 Satz 2 AO anders gefaßt ist als § 793 Abs. 2 ZPO. Die in § 793 Abs. 2 ZPO für den Fall des Vollstreckungsverfahrens nach der Zivilprozeßordnung normierte Einschränkung, daß die weitere Beschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nur gegeben ist, – soweit das Gesetz nicht etwas anderes bestimmt –, enthält § 284 Abs. 9 Satz 2 AO für den Fall der weiteren Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlasses einer Haftanordnung auf Antrag der Finanzbehörde nicht. Der Senat hat bisher offen gelassen, ob hierin lediglich ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu sehen ist und wegen der schlüssigen Verweisung des § 284 Abs. 9 AO auf das Verfahrensrecht der Zivilprozeßordnung auch die Bestimmung des § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Bezug genommen ist (vgl. Senat, InVO 1997, 139). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung.
Denn die weitere Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag der Vollstreckungsbehörde auf Anordnung der Haft gemäß § 284 Abs. 8 AO zu Recht abgelehnt. Die Haftanordnung setzt als Vollstreckungsmaßnahme voraus, daß die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. Senat, OLGR Köln 1993, 278 [279]; LG Dresden, Rpfleger 1999, 501). Nach den §§ 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 AO findet die Zwangsvollstreckung unter anderem aus Steuerverwaltungsakten statt, die auf eine Geldleistung gerichtet sind. Zum Nachweis dieser Voraussetzung der Zwangsvollstreckung ist die Bezeichnung, und regelmäßig – wenn sich der Vollstreckungsrichter nicht in anderer...