unanfechtbar

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Entziehung des Personensorgerechts ist geboten, wenn die Eltern ein noch minderjähriges Kind mit einem (hier albanischen) Partner verheiraten wollten, das Kind dies jedoch ablehnt und dadurch das Verhältnis zwischen Kind und Eltern tiefgreifend gestört ist, mögen die Eltern auch auf der Heirat später nicht mehr bestehen.

 

Normenkette

BGB § 1666; KJHG §§ 42-43

 

Tenor

Auf die Beschwerden des Jugendamts der Stadt B.G. und der Jugendlichen A.F. wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – B.G. vom 11.4.2000 (27 F 432/99) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Das Personensorgerecht für A.F. (geb. 12.5.1983) wird den Eltern entzogen und auf das Jugendamt der Stadt B.G. übertragen. Im übrigen wird der Antrag auf Entziehung der elterlichen Sorge zurückgewiesen.

Es verbleibt bei der Kostenentscheidung erster Instanz; auch für die zweite Instanz werden Gerichtskosten nicht erhoben und die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die betroffene Jugendliche, die im Mai 2001 18 Jahre alt wird, ist die eheliche Tochter ihrer Eltern. Ihre Eltern stammen aus dem Kosovo, sie leben wie die noch minderjährigen Geschwister G. (geb. 7.5.1984) und V. (geb. 6.11.1986) seit Jahren in Deutschland und beziehen Sozialhilfe. Sie sind jugoslawische Staatsangehörige (Kosovo-Albaner) und als Asylberechtigte anerkannt. Die Jugendliche hat außerdem zwei bereits volljährige Geschwister.

Am 17.12.1999 sprach die Jugendliche beim Jugendamt der Stadt B.G. vor und bat um Unterbringung, da sie ihre Eltern gegen ihren Willen mit Herrn A., ebenfalls albanischer Herkunft, verheiraten wollten und mit einer Ausbildung zur Hotelkauffrau nicht einverstanden seien. Unstreitig war die Jugendliche mit Herrn A. verlobt. Nach ihren Angaben aber nur auf Druck der Familie. Am 22.12.1999 versuchten die Eltern, A. in der Innenstadt von B.G. mit Gewalt zu sich zu nehmen.

A. ist – mit ihrem Einverständnis – in einem Jugendheim untergebracht. Das Amtsgericht hat einen Verfahrenspfleger bestellt. Die Eltern haben beantragt, die Rückführung A.s in ihren Haushalt anzuordnen.

Das Amtsgericht hat nach Anhörung aller Beteiligten die Anträge des Jugendamts und der Jugendlichen auf Entziehung der elterlichen Sorge zurückgewiesen. Es hat den Eltern gleichzeitig durch Auflagen untersagt, einer Ausreise der Jugendlichen außerhalb des Gebiets des Schengener Abkommens zuzustimmen, ohne Gericht und Jugendamt hierüber zwei Wochen vor dem geplanten Ausreisetermin zu informieren, und ihnen aufgegeben, einen regelmäßigen Schulbesuch sicherzustellen sowie Gespräche mit dem Jugendamt über den weiteren Ausbildungsweg aufzunehmen. Es hat sich nach Anhörung der Beteiligten von der Richtigkeit der Darstellung der Jugendlichen nicht überzeugen können, wobei Herr A. die Fragen des Gerichts nicht beantwortet hat. Den Antrag der Eltern auf Rückführung in ihren Haushalt hat es als nicht bescheidungsfähig angesehen, da die Eltern die Rückkehr kraft ihrer elterlichen Sorge bestimmen und notfalls die Herausgabe A.s erwirken könnten.

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts richten sich die Rechtsbehelfe der Jugendlichen persönlich und des Jugendamts.

Der Senat hat am 6.7.2000 einen Erörterungstermin mit allen Beteiligten durchgeführt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen. Der Senat hat den Beteiligten Gelegenheit zur weiteren Stellungnahme gegeben. In der Stellungnahme des Jugendamts vom 4.8.2000 ist ausgeführt, daß A. unverändert zur Rückkehr in den elterlichen Haushalt nicht bereit sei. Den Erklärungen der Eltern, keinen Druck auf die Jugendliche wegen der Verheiratung auszuüben und mit ihrer weiteren Ausbildung einverstanden zu sein, könne nicht gefolgt werden. Die Eltern zeigten keinerlei Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahmen der Hilfe zur Erziehung bei A..

II.

Die Beschwerden der Jugendlichen und des Jugendamts sind gem. §§ 19, 20 FGG zulässig und in der Sache im Ergebnis insoweit begründet, als die Entziehung des Personensorgerechts zum Schutz des Kindes gem. § 1666 BGB erforderlich ist, während es der Entziehung des gesamten Sorgerechts nicht bedarf.

Der 17-jährigen Minderjährigen steht ein eigenes Beschwerderecht gegen die Versagung der beantragten Eingriffe in das elterliche Sorgerecht zu, das sie nach § 59 I S. 1, III FGG selbst ausüben kann (BayObLG FamRZ 1997, 954). Das Jugendamt hat ein Beschwerderecht gem. § 20 FGG, da es mit seinem Antrag öffentliche Interessen vertritt.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus Art. 1 MSA, da die beantragte Entziehung des Sorgerechts eine Maßnahme zum Schutz der Person ist (BayObLG FamRZ 1997, 954 m.w.N.) und die Jugendliche ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Gem. Art. 2 MSA ist schon aus diesem Grunde deutsches Recht anwendbar; bei Asylberechtigten ist ein ex-lege-Gewaltverhältnis des ursprünglichen Heimatrechts nach Art. 3 MSA nicht zu beachten (LG München FamRZ 1997, 1354;...

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