Entscheidungsstichwort (Thema)
Ärztliche Dokumentationspflicht bei Risikopatienten
Leitsatz (amtlich)
1. Jedenfalls bei Risikopatienten im Hinblick auf die Dekubitusgefahr ist es schon zur Gewährleistung der erforderlichen Prophylaxe erforderlich, in den Krankenunterlagen die ärztliche Diagnose, dass der Patient ein Risikopatient ist, und die ärztlichen Anordnungen zu den durchzuführenden besonderen Pflegemaßnahmen zu dokumentieren (Anschluss an BGH MDR 1987, 1017 f.; BGH VersR 1986, 788 ff.). Dass ein gerichtlicher Sachverständiger eine derartige Dokumentation für nicht erforderlich und üblich hält, ändert daran nichts.
2. Zur Frage, wann die - wegen unzureichender Dokumentation - durch den Krankenhausträger nachzuweisende ordnungsgemäße Pflege durchgeführt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 17.2.2010 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 364/08 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Mit Recht und mit im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen hat das LG der Klage bis auf einen Teil des Feststellungsantrages stattgegeben, weil nach den gem. § 529 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Feststellungen von Versäumnissen und damit Behandlungsfehler jedenfalls im Bereich der Dekubitusprophylaxe auszugehen ist. Die demgegenüber von den Beklagten im Berufungsverfahren erhobenen Einwände führen nicht zu einer anderen, ihnen günstigeren Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Auch eine weitere Sachaufklärung ist nicht geboten.
Fest steht, dass es in den Krankenunterlagen der Beklagten an jeglichen ärztlichen Diagnosen und Anordnungen zur Dekubitusprophylaxe beim Kläger fehlt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, U. v. 2.6.1987 - IV ZR 174/86 -, MDR 1987, 1017 f.; BGH, U. v. 18.3.1986 - VI ZR 215/84 -, VersR 1986, 788 ff;), der sich auch der Senat anschließt, ist es jedenfalls bei Risikopatienten, wie hier dem Kläger, schon allein zur Gewährleistung der erforderlichen Prophylaxe erforderlich, in den Krankenunterlagen die ärztliche Diagnose, dass der Patient ein solcher Risikopatient ist, und außerdem die ärztlichen Anordnungen zu den durchzuführenden besonderen Pflegemaßnahmen festzuhalten (vgl. auch OLG Düsseldorf, U. v. 16.6.2004 - 15 U 160/03 - PflR 2005, 62 ff.; LG München, PflR 2009, 344 ff.). Dass der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. A., wie bei seiner Anhörung ausgeführt, derartige Dokumentationen nicht für erforderlich und üblich hält, ändert daran nichts. Denn bei der Frage der Dokumentationspflicht kommt es nicht auf die Frage eines ärztlichen Standards oder der Üblichkeit an. Vielmehr ist entscheidend, dass die Dokumentation aus medizinischer Sicht dazu zwingen soll, sich über durchzuführende, durchgeführte und auch nicht durchgeführte Maßnahmen klar zu werden und auch der interdisziplinären Abstimmung und der Kontrolle dienen soll, so dass erforderliche Maßnahmen nicht vernachlässigt werden.
Nachlässigkeiten bei der solchermaßen erforderlichen Dokumentation stellen indes ein Indiz dafür dar, dass im Krankenhaus die ernste Gefahr der Entstehung von Dekubitusgeschwüren nicht erkannt und die Durchführung vorbeugender Maßnahmen nicht in ausreichender Form angeordnet wurden und daher auf die Prophylaxe nicht so intensiv geachtet wurde, wie es sein sollte (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Diese indizielle Wirkung der fehlenden Krankenblatteintragungen haben die Beklagten nicht zu entkräften vermocht.
Die aus den fehlenden Krankenblatteintragungen herzuleitende indizielle Wirkung von Pflegeversäumnissen wäre etwa dann entkräftet, wenn die Beklagten hätten nachweisen können, dass gleichwohl eine ordnungsgemäße Pflege des Klägers durchgeführt worden wäre. Das ist den Beklagten jedoch nicht gelungen.
Zwar hat der Sachverständige Prof. Dr. A. bei seiner Begutachtung im Ergebnis festgehalten, dass von Anfang der Behandlung an die üblichen prophylaktischen Maßnahmen, wie Dekubitusmatratze, Hautpflege und regelmäßiger Lagewechsel ergriffen worden seien, ebenso wie die erforderlichen anerkannten Maßnahmen zur Behandlung des Dekubitus. Bei dieser Beurteilung ist der Sachverständige jedoch von ungesicherten Anknüpfungstatsachen ausgegangen, so dass seiner Beurteilung nicht ohne weiteres zu folgen ist, ohne dass damit in seine medizinische Kompetenz eingegriffen würde. So hat der Sachverständige im Ansatz dargelegt, dass als anerkannte Prophylaxemaßnahmen gelten Mobilisation soweit wie möglich, sorgf...