Leitsatz (amtlich)

Keine Wiedereinsetzung wegen Versäumens der Berufungsfrist, wenn ein Rechtsanwalt die Berufungsschrift ungeprüft unterzeichnet und ihm eine fehlerhafte Adressierung (an LG statt Oberlandesgericht) nicht auffällt.

 

Normenkette

ZPO §§ 85, 233

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 10.10.2014; Aktenzeichen 16 O 328/13)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerinnen vom 01.12.2014 auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des LG Köln vom 10.10.2014 - 16 O 328/13 - wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 10.10.2014 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des LG Köln - 16 O 328/13 - wird gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich etwaiger außergerichtlicher Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1. zu 19 %, die Klägerin zu 2. zu 79 % und die Klägerin zu 3. zu 2 %.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen machen im vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte jeweils eigene Ansprüche auf Zahlung eines Verdienstausfallschadens im Zusammenhang mit einem behaupteten Sturz ihres Geschäftsführers vom 20.01.2011 gegen 19:00 Uhr auf der J Straße 38 in L geltend. Die Beklagte führte zum maßgeblichen Zeitpunkt Tiefbauarbeiten auf der Straße durch. Der Geschäftsführer der Klägerinnen soll bei Dunkelheit über eine Fräskante gestolpert und gestürzt sein und sich dabei arbeitsunfähig verletzt haben.

Mit Urteil vom 10.10.2014 hat das LG Köln die Klage abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen am 14.10.2014 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 14.11.2014, adressiert an das LG Köln, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 01.12.2014 haben sie sodann erneut Berufung eingelegt, diesmal beim Oberlandesgericht Köln, und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages tragen sie vor, dass die gut ausgebildete und stets zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte T von der Verfahrensbevollmächtigten im Wege einer Einzelanweisung am 12.11.2014 konkret angewiesen worden sei, die zur fristgemäßen Einlegung des Rechtsmittels notwendige Rechtsmittelschrift an das zuständige Rechtsmittelgericht am 14.11.2014 anzufertigen. Aufgrund einer am 13.11.2014 eingetretenen Erkrankung der Rechtsanwaltsfachangestellten T sei die Anweisung der Verfahrensbevollmächtigten der gewöhnlichen Kanzleiorganisation entsprechend von dieser mit E-Mail vom 14.11.2014, 6:10 Uhr, an die stets zuverlässige und ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte T2 schriftlich übertragen worden. Die auf der Einzelanweisung beruhende, von der Rechtsanwaltsfachangestellten T2 angefertigte, Rechtsmittelschrift habe jedoch irrtümlich nicht das Oberlandesgericht Köln, sondern das LG Köln als Rechtsmittelgericht bezeichnet. Diese Falschbezeichnung sei von der Verfahrensbevollmächtigten bei Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift nicht bemerkt worden.

II. Der Antrag der Klägerinnen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zurückzuweisen. Gemäß §§ 233, 85 Abs. 1 ZPO darf einer Partei nur dann Wiedereinsetzung in eine versäumte Notfrist gewährt werden, wenn ihren Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Frist kein Verschulden trifft. Dies ist hier nicht der Fall. Das Anwaltsverschulden liegt darin begründet, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen die Berufungsschrift ungeprüft unterzeichnet hat.

Die Anfertigung von Rechtsmittelschriften ist originäre Aufgabe des Rechtsanwaltes, die nicht dem Büropersonal übertragen werden darf, es sei denn, er hat das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig geprüft (vgl. BGH, NJW 2012, 1591). Der Rechtsanwalt muss sich bei Unterzeichnung einer Rechtsmittelschrift gewissenhaft davon überzeugen, dass sie zutreffend adressiert ist (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 254; NJW-RR 1998, 1218; NJW 1998, 908; NJW-RR 2012, 694; vgl. auch Senat, Beschluss vom 12.06.2012 - 19 U 189/11 - juris). Das hat vor allem dann zu gelten, wenn der Schriftsatz - wie hier - nicht von ihm selbst verfasst (diktiert) worden ist. Weist ein von einer - auch ordnungsgemäß durch Einzelanweisung instruierten - Rechtsanwaltsfachangestellten angefertigter Rechtsmittelschriftsatz nicht das zuständige Rechtsmittelgericht aus und wird dies bei Unterzeichnung durch den Rechtsanwalt nicht bemerkt, liegt ein Verschulden des Rechtsanwaltes selbst vor. In diesem Fall beruht die Fristversäumung auch kausal auf einer unzulänglichen Kontrolle der Rechtsmittelschrift durch den Anwalt und muss zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages der vertretenen Partei führen (vgl. BGH, NJW 2000, 2511; NJW 2009, 296; NJW-RR 2012, 694; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 233 Rn. 50).

Nach dem eigenen Vortrag der Klägerinnen ist ihre Prozessbevollmächtigte der Pflicht zur sorgfältigen Prüfung der Berufungsschrift nicht nachgekommen, weil ihr bei Unterzeichnung des Schriftsatzes vom 14.11.2014 die fehlerhafte...

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