Leitsatz (amtlich)
Auch ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer ist eine von der Teilungserklärung abweichende Nutzung des Sondereigentums ausnahmsweise zulässig, wenn diese die übrigen Miteigentümer nicht stärker beeinträchtigt als die in der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung. Dabei sind etwaige Störungen der übrigen Bewohner durch diese Nutzung denjenigen Beeinstr5ächtigungen ggü. zu stellen, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung entspr. der Teilungserklärung üblicherweise aufgetreten wären. Hierbei ist eine typisierende verallgemeinernde Betrachtung zugrunde zu legen.
Normenkette
WEG §§ 14-15
Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 2 T 2/02) |
AG Eschweiler (Aktenzeichen 6 II 26/01) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Aachen vom 9.10.2002 – 2 T 2/02 – wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 10.000 Euro
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1)–3) bilden die oben genannte Wohnungseigentümer-gemeinschaft, die aus zwei Häusern mit überwiegend Wohneinheiten besteht. Die Beteiligte zu 1) ist Eigentümerin einer Dachgeschosswohnung im Haus I, die Beteiligten zu 2. haben im Frühsommer 2001 die Sondereigentumseinheit Nr. 10 II (laufende Nr. 12) erworben. Die Teilungserklärung sieht für diese Einheit vor:
„Miteigentumsanteil von … verbunden mit dem Sondereigentum (Teileigentum- Büro/Praxis/Laden) an allen Räumen im Erdgeschoss des Hauses II.”
Die Beteiligten zu 2) nutzen die Einheit indes zu Wohnzwecken, weil ihnen nach ihrer Darstellung bei Erwerb zugesagt wurde, diese Nutzung, die öffentlich rechtlich genehmigt wurde, sei zulässig.
Das AG hat antragsgemäß die Umnutzung der Eigentumseinheit von einer Gewerbe- zu einer Wohneinheit untersagt. Nach eingelegter Beschwerde hat das LG diese Entscheidung abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel der Antragstellerin.
II. Das eingelegte Rechtsmittel ist zulässig. Selbst wenn es sich um eine Mehrhausanlage mit Teileigentümergemeinschaften handeln sollte – was hier offen bleiben kann –, fehlt der Antragstellerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn selbst bei Bestehen von Untergemeinschaften handelt es sich hier bei der Beurteilung der zulässigen Nutzung einer Sondereigentumseinheit um eine die gesamte Gemeinschaft betreffende Frage, so dass nicht nur die Untergemeinschaft, sondern jeder Eigentümer der Mehrhausanlage antragsberechtigt ist.
2. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung lässt keine Rechtsfehler erkennen, was allein Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist, §§ 27 I FGG, 550 ZPO. Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall kein Unterlassungsanspruch nach § 1004 I BGB, § 15 III WEG besteht, da bei einer Nutzung zu Wohnzwecken keine größeren Beeinträchtigungen für die Antragstellerin zu erwarten sind als bei einer Nutzung als Büro, Praxis oder Laden, wie sie die Teilungserklärung vorsieht.
Zwar ist der Antragstellerin Recht zu geben, wenn sie darauf verweist, dass die jetzige Nutzung der Einheit 10 II (Nr. 12) vom Wortlaut her der Teilungserklärung widerspricht. Es entspricht jedoch überwiegender Rspr. der OLG, der sich der Senat seit längerem angeschlossen hat, eine vom Inhalt der Teilungserklärung abweichende Nutzung ausnahmsweise als zulässig anzusehen, wenn sie die übrigen Miteigentümer nicht stärker beeinträchtigt als die in der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung (OLG Köln, Beschl. v. 15.2.2002 – 16 Wx 232/01, OLGReport Köln, 2002, 263; Beschl. v. 8.4.2002 – 16 Wx 45/02; Beschl. vom 27.11.2002 –16 Wx 226/02; OLG Düsseldorf ZMR 1998, 247; BayOblG v. 23.5.1996 – 2Z BR 19/96, BayObLGReport 1996, 57 = NJW-RR 1996, 1358; BayObLG NZM 1999, 130; OLG Karlsruhe v. 15.1.2001 – 11 Wx 44/00, OLGReport Karlsruhe 2001, 212). Mit Recht hat deshalb das LG geprüft und mit seinem Hinweisbeschluss vom 8.8.2002 die Beteiligten zu diesbezüglichem Vorbringen aufgefordert, ob und welchem Umfang durch die Nutzung der Einheit 10 II/Nr. 12 als Wohneinheit Beeinträchtigungen auftreten. Dabei sind etwaige Störungen der übrigen Bewohnern diejenigen Beeinträchtigungen ggü. zu stellen, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung entspr. der Teilungserklärung üblicherweise auftreten. Hierbei ist eine typisierende, verallgemeinernde Betrachtung zugrunde zu legen (OLG Köln v. 27.11.2002 – 16 Wx 226/02 m.w.N.). Gemessen an diesem Maßstab ergeben sich keine konkreten Umstände, wonach die Wohnnutzung für die übrigen Eigentümer belastender wäre als eine gewerbliche Nutzung nach Maßgabe der Teilungserklärung. Denn die Teilungserklärung sieht verschiedene Möglichkeiten der gewerblichen Nutzung vor: Büro, Praxis oder Laden. Gerade die beiden letzteren Nutzungsarten können während der Geschäfts-/Öffnungszeiten mit erheblichem Publikumsverkehr verbunden sein. Dies gilt beispielsweise f...