Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 1603 Abs. 2 BGB folgt nicht, dass das Gericht den Unterhaltsschuldner ohne nähere Ausführungen zum Umfang eines unstreitigen oder nachgewiesenen Verdienstes oder zumutbar erzielbarer fiktiver Einkünfte für stets leistungspflichtig halten dürfte. Gerade die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine vom Gericht festzustellende reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus.
2. Ist einem Unterhaltsschuldner, der eine Erwerbsminderungsrente bezieht, ein fiktives Einkommen zurechenbar, ist der für nicht Erwerbstätige geltende Selbstbehalt anteilig im Verhältnis von Rente zu (fiktivem) Erwerbseinkommen zu erhöhen.
3. Der Bezug einer sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsunfähigkeitsrente entbindet den Unterhaltsschuldner nicht von der Notwendigkeit vorzutragen, warum die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen einer Tätigkeit im Rahmen einer verbleibenden Arbeitsfähigkeit gleichwohl noch entgegenstehen sollen (Anschluss BGH, Beschl. v. 09.11.2016 - XII ZB 227/15, FamRZ 2017, 109). Behauptet dieser, aufgrund Erkrankungen nicht zu einer Erwerbstätigkeit in der Lage zu sein, gehört zur schlüssigen Darlegung einer fehlenden oder nur eingeschränkten Erwerbsfähigkeit eine konkrete Arbeitsbeschreibung der vor der Erkrankung ausgeübten Berufstätigkeit, die die im Rahmen dieser Tätigkeit anfallenden Leistungen ihrer Art, ihres Umfangs und ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden lässt. Des Weiteren ist vorzutragen, hinsichtlich welcher einzelnen Leistungen eine Ausübung krankheitsbedingt nicht mehr möglich ist, wozu Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Leiden konkret darzulegen sind.
Normenkette
BGB § 1603
Verfahrensgang
AG Eschweiler (Aktenzeichen 16 F 158/16) |
Tenor
1. Unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrages wird dem Antragsgegner unter Beiordnung von Rechtsanwalt B ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für nachfolgenden Beschwerdeantrag bewilligt:
Unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 06.11.2018 - 16 F 158/16 - die Anträge zurückzuweisen, soweit sie für den Zeitraum von November 2016 bis September 2018 einen rückständigen Unterhalt hinsichtlich des Kindes U von 4.430,00 EUR und hinsichtlich des Kindes M von 2.869,00 EUR übersteigen, sowie hinsichtlich des ab Oktober 2018 laufenden Unterhalts, soweit die geforderten Unterhaltsbeträge für die Kinder jeweils den Betrag von 328,00 EUR monatlich übersteigen.
2. Der Antragstellerin wird zur Verteidigung im Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin N bewilligt.
3. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, unter Zurückweisung seiner weitergehenden Beschwerde auf die Beschwerde des Antragsgegners im Übrigen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht -Eschweiler vom 06.11.2018 - 16 F 158/16 - im schriftlichen Verfahren dahingehend abzuändern, dass unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen der Antragsgegner verpflichtet wird, ab Oktober 2018 zu Händen der Kindesmutter einen laufenden monatlichen Kindesunterhalt für das Kind U, geboren am 21.06.2003, in Höhe von 328,00 EUR sowie für das Kind M, geboren am 30.04.2005, in Höhe von ebenfalls 328,00 EUR zu zahlen, ferner rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum November 2016 bis einschließlich September 2018 in Höhe von 4.430,00 EUR betreffend das Kind U und in Höhe weiterer 2.869,00 EUR betreffend das Kind M.
4. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang des Beschlusses.
Gründe
I. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsgegner kommt nur im tenorierten Umfang in Betracht, weil die darüber hinaus gehende Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 114 ZPO; die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Antragstellerin - die auch nach der Rechtskraft der Scheidung der Beteiligten nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB für die Geltendmachung des Kindesunterhalts aktivlegitimiert ist, weil die Verfahrensstandschaft insoweit fortwirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.06.2013 - XII ZB 39/11, FamRZ 2013, 1378) - folgt bereits aus § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO.
Dem Antragsgegner ist jedenfalls möglich, für den Zeitraum von November 2016 bis Dezember 2016 den Mindestunterhalt, von Januar 2017 bis März 2017 Unterhalt in Höhe von 357,00 EUR monatlich für U und 291,00 EUR monatlich für M, von April 2017 bis Juni 2017 Unterhalt in Höhe von jeweils 324,00 EUR und ab Juli 2017 Unterhalt in Höhe von jeweils 328,00 EUR monatlich für jedes Kind zu leisten. Eine weitergehende Erwerbsunfähigkeit, die dies als nicht möglich erscheinen ließe, ist - auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16.10.2018 (Bl. 206 ff. d.A.) und der Beschwerde - nicht hinreichend dargetan.
Im Einzelnen:
1. Der Antragsge...