Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass die Beiordnung von Rechtsanwalt G. als Pflichtverteidiger aufgehoben wird.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten hierin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist im Berufungsverfahren durch Urteil der 8. großen Strafkammer des Landgerichts J. als Jugendkammer vom 18.02.2022 (28 Ns 783 Js 133/21 - 26/21) wegen Beleidigung in Tatmehrheit mit Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit schuldig gesprochen und zu einer Einheitsjugendstrafe von 9 Monaten verurteilt worden. Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung blieb im Urteil für sechs Monate vorbehalten (Vorbewährung). Das Urteil ist seit dem 26.02.2022 rechtskräftig. Im Berufungsverfahren wurde der Beschwerdeführer durch den ihm als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwalt G. in J. vertreten.
Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Frage der Aussetzung der Einheitsjugendstrafe zur Bewährung bestimmte der Vorsitzende der Berufungskammer einen Termin zur Anhörung des Verurteilten auf den 10.08.2022. Die Ladung ging dem Verurteilten am 26.07.2022 zu.
Mit Schriftsatz vom 28.07.2022 bestellte sich daraufhin Rechtsanwalt Z. in J. als Wahlverteidiger für den Verurteilten unter Vorlage einer auf ihn lautenden Strafprozessvollmacht vom selben Tag.
Mit Schriftsatz vom 08.08.2022 hat Rechtsanwalt Z. im Namen des Verurteilten beantragt, die Bestellung von Rechtsanwalt G. zum Pflichtverteidiger "gemäß § 143 StPO" zurückzunehmen. Der Verurteilte wünsche die Verteidigungsführung ausschließlich durch ihn, also durch Rechtsanwalt Z.. Er, Rechtsanwalt Z., sei zu der Führung der dauerhaften Tätigkeitsentfaltung im hiesigen Verfahren bereit und versichere anwaltlich, dass die Wahlverteidigung gesichert sei und der o.g. Antrag nicht vor dem Hintergrund gestellt sei, alsbald eine Umstellung der Wahl- auf eine Pflichtverteidigung zu betreiben.
Der Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt G., hat mit Schriftsatz vom 09.08.2022 mitgeteilt, zu dem Antrag keine Stellungnahme abgeben zu wollen. Über die Frage der Entpflichtung habe der Vorsitzende zu entscheiden.
Der ursprünglich auf den 10.08.2022 anberaumte Termin zur Anhörung ist in der Folgezeit verlegt worden.
Mit Beschluss vom 30.08.2022 (28 Ns 26/21) hat der Vorsitzende der Berufungskammer den Antrag des Verurteilten auf Entpflichtung von Rechtsanwalt G. als Pflichtverteidiger abgelehnt. Es liege ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 68 Nr. 5 JGG vor, da eine Jugendstrafe verhängt worden sei und am Ende der Vorbewährungszeit über die Aussetzung oder Nichtaussetzung dieser Jugendstrafe zu entscheiden sei. Das Gericht halte in Ausübung des ihm obliegenden Ermessens nach § 143 Abs. 2 S. 1 StPO die Aufrechterhaltung der Pflichtverteidigerbestellung vor dem Hintergrund eines bereits zuvor - im Zuge des Strafverfahrens - erfolgten Verteidigerwechsels zur Sicherung des Verfahrens für notwendig.
Rechtsanwalt Z. hat gegen die ihm am 01.09.2022 zugestellte Entscheidung im Namen des Verurteilten mit Schriftsatz vom 02.09.2022 sofortige Beschwerde eingelegt, die am 05.09.2022 beim Landgericht eingegangen ist. Mit der Beschwerde trägt der Verurteilte vor, die Bestellung des Pflichtverteidigers sei gemäß § 143 a Abs. 1 S. 1 SPO aufzuheben gewesen, da er einen anderen Verteidiger gewählt habe und dieser die Wahl angenommen habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageverfügung vom 09.09.2022 beantragt, die sofortige Beschwerde des Verurteilten aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
Der Verurteilte hat mit Schriftsatz seines Wahlverteidigers vom 16.09.2022 mitgeteilt, vollumfänglich an den bisherigen Ausführungen festzuhalten.
II.
Die gemäß § 143 a Abs. 4 StPO statthafte und auch im Übrigen (§ 311 Abs. 2 StPO) zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Berufungskammer vom 30.08.2022 (28 Ns 26/21) ist begründet.
1.
Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen die Ablehnung seines Antrags, Rechtsanwalt G. als seinen Pflichtverteidiger zu entpflichten. Dieser war ihm noch zuletzt als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Zwar endet gemäß § 143 Abs. 1 StPO die Bestellung des Pflichtverteidigers mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Auch ist das Urteil vom 18.02.2022 mit Wirkung zum 26.02.2022 in Rechtskraft erwachsen. Das hiesige Strafverfahren war aber gleichwohl noch nicht im Sinne des § 143 Abs. 1 StPO abgeschlossen. Denn über die Frage der Aussetzung der Einheitsjugendstrafe zur Bewährung wurde bis heute noch nicht entschieden, nachdem die Entscheidung im Urteil für die Dauer einer Vorbewährungszeit von sechs Monaten vorbehalten worden war.
Das Strafverfahren im Sinne von § 143 Abs. 1 StPO umfasst auch dem Urteil nachfolgende Entscheidungen, die den Inhalt...