Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung des Aufstockungsunterhaltes; angemessener Lebensbedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Der Nachscheidungsunterhalt einer 30-jährigen geschiedenen Ehefrau ohne Berufsausbildung nach nur 5-jähriger Ehe ist bereits mit der Scheidung (ohne Übergangszeit) auf den angemessenen Lebensbedarf zu begrenzen, wenn das gemeinsame Vorschulkind bereits seit 1 Jahr vom Vater betreut und unterhalten wird und keine ehebedingten Nachteile vorliegen.
2. Der angemessene Lebensbedarf einer ungelernten Arbeitskraft kann bei Ausnutzung aller vorhandenen legalen Möglichkeiten durch eigene Einkünfte von rund 900 bis 1.000 EUR erzielt werden; insoweit genügt der pauschale Hinweis auf die Arbeitsmarktlage und fehlende Chancen, ohne konkrete Bewerbungsbemühungen nachvollziehbar vorzutragen, nicht für ein geringeres Einkommen.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1578b Abs. 1
Verfahrensgang
AG Heinsberg (Beschluss vom 22.09.2009; Aktenzeichen 30 F 98/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG Heinsberg vom 22.9.2009 (30 F 98/08) wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. §§ 127, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das AG Heinsberg den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Folgesache nachehelicher Unterhalt mangels Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf nachehelichen Unterhalt kommt nur § 1573 Abs. 2 BGB in Betracht. Aus dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Attest ergibt sich nicht, dass die Antragsgegnerin wegen der attestierten Hautkrankheit nicht oder nur eingeschränkt erwerbsfähig ist, so dass ein Unterhaltsanspruch wegen Krankheit (§ 1572 BGB) ausscheidet.
Ein Anspruch der Antragsgegnerin auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt ist gem. § 1578b BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, den die Antragsgegnerin bei hinreichenden Erwerbsbemühungen selbst decken kann. Eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs wäre unter Abwägung aller Umstände unbillig (§ 1578b Abs. 1 BGB).
Die Ehe der Parteien hat bis zur Rechtshängigkeit der Scheidung weniger als fünf Jahre gedauert. Der fünfjährige Sohn der Parteien wird seit über einem Jahr vom vollschichtig erwerbstätigen Antragsteller betreut und versorgt, der mangels Unterhaltszahlungen der Antragsgegnerin auch für den Barunterhalt des gemeinsamen Kindes aufkommt. Ehebedingte Nachteile der Antragsgegnerin sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und war nach dem unstreitigen Vortrag des Antragstellers vor der Ehe als Aushilfskraft auf 400 EUR-Basis tätig. Die Antragsgegnerin ist erst 30 Jahre alt. Es ist nicht erkennbar, dass sich ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt für ungelernte Kräfte durch die 4-jährige Übernahme der Haushaltsführung und Kindererziehung während der Ehe verringert haben. Da die Parteien weniger als 4 Jahre zusammengelebt haben und die Trennung bereits im Januar 2008 erfolgte, kann im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung nicht mehr von einer engen Verflechtung der Lebensverhältnisse ausgegangen werden. Unter Abwägung aller Umstände, insbesondere des überobligationsmäßigen Einsatzes des Antragstellers für die Sicherstellung des Betreuungs- und Barunterhalts für den gemeinsamen Sohn, entspricht es der Billigkeit, den Unterhaltsanspruch ohne Übergangsfrist auf den angemessenen Lebensbedarf der Antragsgegnerin herabzusetzen.
Der Senat geht davon aus, dass die Antragsgegnerin ihren angemessenen Lebensbedarf, der sich an den für eine ungelernte Arbeitskraft erzielbaren Einkünften von rund 900 bis 1000 EUR orientiert, bei hinreichenden Erwerbsbemühungen selbst decken kann. Abgesehen von der Hautkrankheit an den Händen sind gesundheitliche Einschränkungen der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin betreut kein Kind und ist deshalb zeitlich und örtlich flexibel. Auch ohne Berufsausbildung und unter Berücksichtigung ihrer Hauterkrankung stehen der Antragsgegnerin eine Vielzahl von Tätigkeiten offen, etwa als Verkäuferin, Tankstellenmitarbeiterin, Mitarbeiterin in einem Callcenter, Aufsicht in einer Spielhalle oder in einem Parkhaus. Zur Deckung ihres Bedarfs ist ihr die Übernahme von Nacht- oder Schlichtdiensten zumutbar, was ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt für ungelernte Kräfte sowie ihre Verdienstmöglichkeiten erheblich erhöht. Indessen hat die Antragsgegnerin keinerlei Erwerbsbemühungen dargelegt, sondern sich auf die pauschale Behauptung der fehlenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt zurückgezogen, was nicht ausreicht. Es ist deshalb gerechtfertigt, der Antragsgegnerin fiktiv ein Erwerbseinkommen zuzurechnen, das zur Deckung ihres angemessenen Bedarf...