Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Anhörung
Leitsatz (amtlich)
Der Eindruck, den der Vormundschaftsrichter vor Einleitung des Betreuungsverfahrens in seiner Eigenschaft als Familienrichter anlässlich eines Termins von dem Betroffenen gewonnen hat, kann die gem. § 68 Abs. 1 FGG erforderliche Anhörung nicht ersetzen.
Normenkette
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 12.02.2007; Aktenzeichen 3 T 357/06) |
Tenor
Auf die weitere und die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Aachen vom 12.2.2007 - 3 T 357/06 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe
Die von der vorinstanzlichen Verfahrenspflegerin zulässigerweise namens des Betroffenen eingelegten Rechtsmittel führen in der Sache zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Das LG hat in den Gründen seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, dass von einer erneuten Anhörung abgesehen worden sei, weil eine solche bereits in erster Instanz vorgenommen worden sei. Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern; denn eine Anhörung ist in erster Instanz nicht erfolgt. Der Eindruck, den die Vormundschaftsrichterin vor Einleitung des Betreuungsverfahrens in ihrer Eigenschaft als Familienrichterin anlässlich des Termins vom 4.5.2006 von dem Betroffenen gewonnen hat, ersetzt die gem. § 68 Abs. 1 FGG erforderliche Anhörung nicht. So hat die Vormundschaftsrichterin in ihrer Verfügung vom 11.5.2006 dem Betroffenen auch mitgeteilt, dass er für den Fall der Erforderlichkeit einer Betreuung angehört werde (GA 12). In ihrer Entscheidung vom 29.8.2006 hat sie dann die unterlassene "weitere" Anhörung auch darauf gestützt, dass dem Betroffenen nach dem Gutachten des Sachverständigen T vom 10.8.2006 ansonsten gesundheitlicher Schaden entstehen werde, also die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 Nr. 1 FGG für ein Absehen von einer Anhörung angenommen. Diese Voraussetzungen hat das LG allerdings in seiner Entscheidung nicht festgestellt und wird dies ohne ergänzende ärztliche Äußerung auch schwerlich feststellen können; denn es hat dem Betroffenen das Ergänzungsgutachten T vom 20.11.2006 übermittelt (GA 87 R), ohne dass sich - s. auch dessen Eingabe vom 11.12.2006 - die von dem Sachverständigen in seinem Ursprungsgutachten befürchtete Gefahr einer psychotischen Dekompensation realisiert hätte.
Es bedurfte und bedarf daher einer Anhörung des Betroffenen bzw. einer Feststellung der Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 FGG.
Bedenken begegnet im Übrigen auch die angeordnete umfassende Betreuung für alle Angelegenheit, die - wie das LG vom Ansatzpunkt her mit Recht ausführt - nur ausnahmsweise angeordnet werden darf. Nach dem Ergänzungsgutachten vom 20.11.2006 dürfte eine Betreuerbestellung nur für die Aufgabenkreise Gesundheitsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung und Vermögensangelegenheiten erforderlich werden. Dass die Lebensumstände des Betroffenen einen Handlungsbedarf zu sonstigen Aufgabenkreisen erfordern, ist - jedenfalls bisher - nicht nachvollziehbar festgestellt. Der Wunsch des Beteiligten zu 3. nach einer Betreuungsanordnung "ohne formelle Hemmnisse" (GA 87) widerspricht den gesetzlichen Bestellungsvoraussetzungen und ist daher unbeachtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 1727915 |
BtMan 2007, 157 |
OLGR-Mitte 2007, 594 |
Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen