Leitsatz (amtlich)
Entscheidend für die Frage, ob eine Wohnungseigentumssache oder eine allgemeine Zivilsache vorliegt, ist die Klagebegründung; maßgebend ist zwar nicht die jeweilige Anspruchsgrundlage, aus der die Ansprüche geltend gemacht werden, sondern ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist.
Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 16.06.2010; Aktenzeichen 8 O 20/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen (8 O 20/10) vom 16.06.2010 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 10.08.2010 wird aufgehoben.
Das Prozesskostenhilfeverfahren wird auf Antrag der Antragstellerin an das Amtsgericht Aachen verwiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen der Verletzung von Pflichten, die sich aus der schuldrechtlichen Sonderverbindung einer gemeinsamen Mitgliedschaft in der Wohnungseigentümergemeinschaft H. X, 00000 B., ergeben sollen, auf Ersatz zahlreicher Schäden in Anspruch.
Das Landgericht hat das Prozesskostenhilfegesuch zurückgewiesen, weil die Antragstellerin ihre Bedürftigkeit nicht nachvollziehbar dargelegt habe und weil in der Sache Ansprüche nur in einer die die Zuständigkeit des Landgerichts nicht begründenden Höhe schlüssig vorgetragen seien. Im Nichtabhilfebeschluss hat das Landgericht ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens weiterhin Ansprüche nur in einer die die Zuständigkeit des Landgerichts nicht begründenden Höhe schlüssig vorgetragen seien.
II.
Das Prozesskostenhilfeverfahren ist auf Antrag der Antragstellerin in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an das zuständige Amtsgericht Aachen zu verweisen, dessen ausschließliche, streitwertunabhängige Zuständigkeit als Amtsgericht der belegenen Sache gemäß § 23 Nr. 2 c) GVG i.V.m. § 43 Nr. 1 WEG gegeben ist.
§ 281 ZPO ist im Prozesskostenhilfeverfahren entsprechend anzuwenden, wenn die sachliche oder örtliche Zuständigkeit des mit dem Prozesskostenhilfegesuch befassten Gerichtes fehlt und die Verweisung beantragt wird (vgl. Zöller/Geimer, 28. Auflage, § 114 ZPO Rn. 22a m.w.N.). So liegt der Fall hier.
Vorliegend streiten die Verfahrensbeteiligten auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin über Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander im Sinne des § 43 Nr. 1 WEG. Dabei ist gemäß § 62 Abs. 1 WEG die ab dem 01.07.2007 geltende Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes anzuwenden. Bei der Auslegung der Vorschrift kann jedoch in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-DrS 16/887, S. 35) die schon zu § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG a.F. vertretene weite Auslegung immer noch herangezogen werden (vgl. zuletzt BGH NJW 2010, 1818 Tz. 7; Timme/Elzer, Beck-Onlinekommentar WEG, Stand: 01.07.2010, § 43 WEG Rn. 115). Entscheidend für die Frage, ob eine Wohnungseigentumssache oder eine allgemeine Zivilsache vorliegt, ist die Klagebegründung. Dabei ist maßgebend allerdings nicht die jeweilige Anspruchsgrundlage, aus der die Ansprüche geltend gemacht werden, sondern ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist. Die Zuständigkeit des § 43 Nr. 1 WEG umfasst deshalb zum Beispiel auch solche Fälle, in denen ein Wohnungseigentümer von einem anderen aus unerlaubter Handlung Schadensersatz verlangt, sofern das von ihm in Anspruch genommene Recht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist (BGH NJWRR 1991, 907). Gemeinschaftsbezogen ist der Streitgegenstand dagegen dann nicht, wenn über die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft gestritten wird (BGH BGHZ 130, 159; zitiert nach Juris, dort Rn. 16).
Hier stehen die geltend gemachten Ansprüche in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit, die aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer erwachsen ist. Die Antragstellerin macht geltend, die Antragsgegnerin habe sie zu Unrecht in einem wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren vor dem AG Aachen - 12 II 24/03 WEG - auf Unterlassung von weiteren baulichen Veränderungen und Rückbau bereits erfolgter in Anspruch genommen; sie macht die wegen der in diesem Verfahren gemäß § 44 Abs. 3 WEG a.F. erlassenen einstweiligen Anordnung eingetretenen Schäden, insbesondere wegen Baustillstand, geltend. Kernpunkt des Streits ist, ob die Antragsgegnerin gemäß § 5 Nr. 1 der Teilungserklärung vom 22.07.1982 zur Duldung des Anbaus in der von der Antragstellerin vorgenommenen Form verpflichtet war. Damit handelt es sich im Schwerpunkt um einen Streit über die in der Teilungserklärung, die eine von der Vorschrift des § 22 WEG abweichende Regelung gemäß §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG über das Verhältnis der Wohnungseigentümer unterein...