Entscheidungsstichwort (Thema)
Elektronischer Fernsehprogrammführer - Zulässigkeit der Verwendung einzelner Lichtbilder aus Fernsehsendung ohne Gestattung des Senders
Leitsatz (amtlich)
1. Die Programmpunkte der großen Fernsehsender sind jedenfalls am Sendetag auch dann "Tagesereignisse" i.S.d. § 50 UrhG, wenn sie Banalitäten zum Gegenstand haben.
2. Die Ankündigung dieses Fernsehprogramms in einer - auch elektronischen - Programmzeitung stellt auch eine Berichterstattung dar, die Tagesinteressen Rechnung trägt.
3. Die Verwendung einzelner Lichtbilder aus urheberrechtlich geschützten Fernsehsendungen zur Illustrierung des Inhalts eines angekündigten Programmpunktes ist zulässig.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 14.05.2004; Aktenzeichen 28 O 199/04) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 14.5.2004 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des LG Köln - 28 O 199/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist einer der großen privaten Fernsehsender in Deutschland. Die Antragsgegnerin bietet seit dem 19.3.2004 einen neuen, auf dem Internet basierenden Mediendienst "U. Vision on TV" an. Zu dem Gesamtkonzept gehört ein elektronischer Fernsehprogrammführer ("EPG" = electronic program guide), in welchen die Antragsgegnerin im Rahmen der Ankündigung von Programmpunkten einzelne Lichtbilder auch aus von der Antragstellerin ausgestrahlten Fernsehsendungen einblendet, z.B. wie nachstehend wiedergegeben aus der Kochshow "A. Einfach kochen":
pp.
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin deshalb im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes auf Unterlassung der Wiedergabe von Lichtbildern aus (Ausschnitten von) Fernsehsendungen in ihrem EPG in Anspruch. Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Urt. v. 14.5.2004, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, der erstinstanzlich zuletzt gestellte, auf "ausschließliche Rechte zur Nutzung" der Antragstellerin an den fraglichen Sendungen abstellende Unterlassungsantrag sei unbestimmt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung, wobei sie - nach Rücknahme eines weiteren Hilfsantrags in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - die im Verfahren erster Instanz durch einen "insb."-Zusatz eingeführte konkrete Verletzungsform ausdrücklich als selbständigen Hilfsantrag gestellt hat. Die Antragsgegnerin verteidigt das Urteil.
II. Die zulässige Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Es fehlt jedenfalls an einem Verfügungsanspruch, weil der auf § 97 Abs. 1 UrhG i. V. mit §§ 72, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG gestützte Unterlassungsanspruch daran scheitert, dass die Übernahme urheberrechtlich geschützter einzelner Lichtbilder aus von der Antragstellerin ausgestrahlten Fernsehsendungen in den elektronischen Programmführer der Antragsgegnerin frei i.S.d. § 50 UrhG ist.
1. Die Antragstellerin wendet zunächst richtig ein, dass das LG den die konkrete Verletzungsform aufnehmenden "insb."-Zusatz bezüglich der vorstehend bildlich wiedergegebenen Ankündigung der Sendung "A. Einfach kochen!" nicht nur als unselbständigen Bestandteil eines im Übrigen als unbestimmt erachteten Antrags hätte behandeln dürfen, sondern zumindest diesen einer Prüfung seiner Begründetheit hätte unterziehen müssen. Es entspricht nämlich höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, BGHReport 2003, 1086 = GRUR 2003, 886 [887] - Erbenermittler; sowie die Übersicht bei Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 51 Rz. 36) und der ständigen Spruchpraxis auch des Senats, dass ein derartiger "insb."-Zusatz quasi als Hilfsantrag anzusehen ist um zu verdeutlichen, was jedenfalls auch gefordert wird und ggf. allein zugesprochen werden kann.
Die Frage, ob die gestellten Anträge i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt genug gefasst sind, kann ebenso offen bleiben wie die weitere Frage, ob der Verfügungsantrag noch in nicht dringlichkeitsschädlicher Zeit gestellt worden ist. Er ist nämlich nicht begründet. Auch in den Fällen, in denen die Antragstellerin Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte an bestimmten von ihr ausgestrahlten Fernsehsendungen ist, stellt sich nämlich die Veröffentlichung einzelner, über § 72 UrhG geschützter Lichtbilder aus diesen Sendungen in dem EPG der Antragsgegnerin als i.S.v. § 50 UrhG freie Übernahme dar.
2. Nach § 50 UrhG ist die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke in einem durch den Zweck gebotenen Umfang ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers zulässig, wenn sie der Berichterstattung über Tagesereignisse dient. Infolge der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft v. 10.9.2003 wird nunmehr auch eine Berichterstattung durch dem Funk "ähnliche technische Mittel" erfasst, wozu digitale Online-Medien zählen (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, § 50 Rz. 2 unter Bezugnahme auf die ...