Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich trägt der Vorstand bei einer Inanspruchnahme gem. § 93 Abs. 1 AktG die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht pflichtwidrig gehandelt hat. Die Frage, ob dies auch noch gilt, wenn der Erbe des Vorstands in Anspruch genommen wird, bedarf jedenfalls dann keiner Entscheidung, wenn dieser sich zur Verteidigung auf nicht näher substantiierte Negativtatsachen beruft, weil ihm hierfür bereits nach allgemeinen Regeln eine sekundäre Darlegungslast obliegt.
Normenkette
AktG § 93
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen vom 9. Februar 2018 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger 57% und der Beklagte 43% zu tragen. Die Kosten des zweiten Rechtszuges hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. 1. Die Parteien streiten um die Haftung des Landes NRW als Erbe eines zwischenzeitlich verstorbenen Allein-Vorstands der Klägerin wegen einer ganzen Reihe von Pflichtverletzungen. Zum einen geht es dabei um Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit einem gescheiterten Joint Venture, zum anderen um die Hinzuziehung einer Vielzahl von Beratern, deren Leistungen jedenfalls teilweise mit dem Joint Venture bzw. dem entsprechenden Geschäftsfeld im Zusammenhang stehen.
Joint Venture
Der am 29. September 2013 verstorbene Herrn A (Erblasser) war in der Zeit vom 4. Juni 2010 bis zum 31. August 2012 Allein-Vorstand der Klägerin. Die Einzelheiten der Satzung der Klägerin und der für die Vorstandstätigkeit geltenden Geschäftsordnung sind den Anlagen K 3 und K 4 zu entnehmen. Bedeutsam ist hierbei insbesondere ein in § 8 der Satzung und § 4 der Geschäftsordnung geregelter Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrates. In den Jahren 2008 bis 2012 befand sich die Klägerin in einer wirtschaftlich schwierigen Situation und entschloss sich, durch Erschließung neuer Geschäftsfelder die Abhängigkeit von der Automobilindustrie zu reduzieren.
Nachdem bereits im Jahr 2009 eine schließlich nicht erfolgreiche Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit der bis dahin in den Bereichen Präzisionsmechanik und Maschinenbau (2008/2009 veräußert an SMS B) tätigen Klägerin eingeleitet worden war, deren Umstände sich den Anlagen K 51 bis 54 entnehmen lassen ("Geschäftslinie Russland"), präsentierte der Erblasser anlässlich einer Aufsichtsratssitzung vom 8. September 2010 ein weiteres neues Geschäftsfeld. Er schlug vor, eine Vereinbarung mit der C AG (C AG) zu treffen, nach der die Klägerin gegen Vergütung die für Photovoltaik-Anlagen erforderlichen Wechselrichter (Geräte zur Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom) designen sowie auf Funktion und Sicherheit testen sollte. Dazu bedürfe es nur der Anschaffung zweier Test-Anlagen und Aufwendungen von maximal 500.000,- EUR. Der Aufsichtsrat nahm das zur Kenntnis, befürwortete den Aufbau dieses neuen Geschäftsfeldes und fasste eine entsprechende Beschlussfassung im Umlaufverfahren ins Auge. Die weiteren Einzelheiten des vom Erblasser vorgestellten Vorhabens lassen sich dem als Anlage K 55 vorgelegten Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 8. September 2010 nebst anliegender Präsentation entnehmen.
Allerdings kam es nicht zu der beabsichtigten Beschlussfassung im Umlaufverfahren und auch nicht zum Abschluss einer Vereinbarung mit der C im vorgenannten Sinne, sondern der Erblasser stellte dem Aufsichtsrat der Klägerin anlässlich einer Sitzung vom 9. Februar 2011 ein anderes Vorhaben mit der C vor. Danach sollte mit der C eine Joint-Venture-Vereinbarung geschlossen und eine gemeinsame Gesellschaft gegründet werden. Die C sollte als Mehrheitsgesellschafterin näher bezeichnete Photovoltaik-Projekte durch Übertragung von Beteiligungen an den betreffenden Projekt-Gesellschaften einbringen und die Klägerin sollte als Minderheitsgesellschafterin insbesondere durch Eintragung einer Grundschuld auf ihrem Betriebsgrundstück über 8.000.000,- EUR und Abtretung der Sicherheit an die Joint-Venture-Gesellschaft die Finanzierung der Geschäftstätigkeit der Joint-Venture-Gesellschaft ermöglichen. Anlässlich der Aufsichtsratssitzung wurden sowohl der Joint-Venture-Vertrag als auch der Gesellschaftsvertrag jeweils im Entwurf vorgestellt. Dabei sah § 6 Ziff. 1 des Joint-Venture-Vertrages u.a. eine rechtliche und wirtschaftliche Unbedenklichkeitsbescheinigung einer Wirtschaftsprüfungs-Gesellscha...