Leitsatz (amtlich)
1. Eine Moschee, deren Fassadengestaltung sich einer westlichen Formensprache unter Verzicht auf Ornamente, Verzierungen und sonstigen schmückenden Beiwerks bedient und durch das Wechselspiel zwischen glatter Fassade und schlanken hohen Fensteröffnungen den Eindruck besonderer Schlichtheit erzielt, stellt ein Werk der Baukunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG dar.
2. Dabei ist unschädlich, dass schlanke Fenster bei Moscheen kein unbekanntes Gestaltungselement sind, wenn gerade dadurch eine besondere eigenschöpferische Wirkung erzielt wird.
3. Der nachträgliche Anbau eines Glas-Vordachs entstellt das Bauwerk bzw. dessen Fassade i.S.d. § 14 UrhG.
Normenkette
UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, §§ 14, 39
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 14 O 12/22) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20.10.2022 - 14 O 12/22 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsanspruchs 55.000,00 EUR und im Übrigen für den Beklagte 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages und für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die urheberrechtliche Zulässigkeit der nachträglichen Anbringung eines Vordaches aus Glas und Metall an der X-Moschee in B. durch den Beklagten.
Der Kläger ist Architekt und entwarf diese Moschee im Auftrag des Beklagten, der als Bauherr der Moschee fungierte und diese betreibt.
Nachdem mehrere frühere Entwürfe anderer Architekten zum Neubau einer Moschee in B. nicht die Zustimmung aller Entscheidungsträger fanden, wurde der Entwurf des Klägers von allen Beteiligten, insbesondere der Stadt B., gebilligt.
Der Beklagte wünschte im Nachgang Änderungen an dem Entwurf des Klägers, etwa die Verbreiterung der Fenster. Dies lehnte der Kläger ab unter dem Hinweis, dass sein Entwurf nur so umgesetzt werden könne, wie von ihm geplant. Der Beklagte entschloss sich dann den Kläger mit der Umsetzung seines Entwurfs zu beauftragen. Im Bauverlauf stellte die Stadt B. bestimmte Anforderungen an die Breite der Fenster, die einen brandschutzrechtlichen Hintergrund hatten.
Die Parteien schlossen nach der Verhandlung des Vertragstextes mit verschiedenen Entwürfen (Anlage K11 bis K14, Bl. 87 ff. GA) im Juni 2008 den als Anlage K1 (Bl. 6 ff. GA) überreichten Architektenvertrag. Dieser enthält u.a. die folgenden Klauseln:
"§ 4 Schutz des Architektenwerkes und des Verfassers
4.1 Vom Architekten erbrachte Leistungen und Arbeitsergebnisse dürfen nur für das in § 1 beschriebene Bauvorhaben verwendet werden.
4.2 Der Architekt ist berechtigt - auch nach Beendigung dieses Vertrages -, das Bauwerk oder die bauliche Anlage in Abstimmung mit dem Bauherrn zu betreten, um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen. Dem Architekten steht das Recht zu, auf den Planunterlagen, am Bauwerk oder an baulichen Anlagen namentlich genannt zu werden. Der Bauherr ist zur Veröffentlichung des vom Architekten geplanten Bauwerks nur unter Namensangabe des Architekten berechtigt.
4.3 Der gesetzliche Urheberrechtsschutz bleibt unberührt.
(...)
§ 13 Urheberrecht
(1) Dem Architekten verbleiben alle Rechte, die ihm nach dem Urheberrechtsgesetz zustehen, sofern sie nicht nach dem lnhalt dieses Vertrages oder auf Grund einer Sondervereinbarung auf den Bauherren übertragen worden sind. Urheberrecht an dem Bild der nach dem Vertrag vereinbarten Baumaßnahme hat der Bauherr.
(2) Der Bauherr hat das Recht, die Planung für die in § 1 beschriebene Baumaßnahme zu nutzen. Er ist berechtigt, die Leistungen der Architekten zu den vereinbarten Zwecken zu verwenden und an den erstellten baulichen und sonstigen Anlagen Änderungen und Ergänzungen unter Wahrung der geistigen Eigenart vorzunehmen, die der Bauherr mit Rücksicht auf deren Verwendung für zweckmäßig hält. Eine besondere Vergütung wird in diesem Fall nicht geschuldet.
(3) Veränderungen von Teilen des Bauwerks, durch die das Urheberrecht der Architekten tangiert sind, sind ohne Mitwirkung der Architekten unzulässig.
(4) Der Bauherr ist zur Veröffentlichung des von den Architekten geplanten Bauwerks nur unter dessen Namensangabe berechtigt. Die Architekten haben bei Veröffentlichung den Namen des Bauherren anzugeben."
Die Moschee wurde 2018 fertiggestellt und eröffnet. Sie sah zunächst wie folgt aus (Anlage K3, Bl. 19 GA):
((Abbildung))
Anfang Januar 2022 ließ der Beklagte an der südwestlichen Ecke, westlich vom Eingangsbereich und über dem Eingang des von dem Beklagten dort betriebenen Cafés ein Vordach aus Metall und Glas errichten, das die Besucher des Cafés vor Regen schützen so...