Entscheidungsstichwort (Thema)
Scheidungsvoraussetzungen nach türkischem Recht bei Zerrüttung der Ehe
Leitsatz (amtlich)
Nach Art. 166 Abs. 1 und 2 tZB kann eine Ehe nach türkischem Recht geschieden werden, wenn die eheliche Gemeinschaft so grundlegend zerrüttet ist, dass den Eheleuten deren Fortsetzung nicht zugemutet werden kann und die Antragsgegnerin nicht wirksam von dem Recht, dem Scheidungsantrag zu widersprechen, Gebrauch gemacht hat. Die Wirksamkeit des Widerspruchs setzt voraus, dass das Verschulden des Antragstellers überwiegt, der Widerspruch nicht missbräuchlich ist und an der Aufrechterhaltung der Ehe ein Interesse besteht. Dabei ist zu beachten, dass entgegen dem in deutscher Übersetzung angegebenen Wortlaut des Tatbestandsmerkmals "zerrüttet" in Art. 166 Abs. 1 tZGB, auf den sich der Antragsgegner beruft, im türkischen Scheidungsrecht weiterhin das Verschuldensprinzip gilt (so OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2005 - 1 UF 129/05 -, veröffentlich in Juris; vgl. insoweit auch Rumpf, Einführung in das türkische Recht, § 16 Rz. 3, wie Rz. 32 "Zerrüttung als Auffangtatbestand").
Das Widerspruchsrecht kann auch dann eröffnet sein, wenn die eheliche Gemeinschaft nicht mehr besteht und voraussichtlich auch nicht mehr hergestellt wird. Das türkische Scheidungsrecht nimmt es bewusst hin, dass eine Ehe auch ohne Lebensgemeinschaft der Eheleute fortgeführt wird, und hält es für möglich, dass trotz grundlegender Zerrüttung ein Interesse daran bestehen kann, eine derartige Ehe aufrechtzuerhalten.
Der Antragsteller hat evt. Missbrauchstatbestände darzulegen und zu beweisen.
Die oben dargetane Auffassung führt auch nicht dazu, dass die Ehe nicht scheidbar wird. Denn Art. 166 Abs. 4 tZGB schafft die Möglichkeit, drei Jahre nach rechtskräftiger Abweisung der ursprünglichen Scheidungsklage ein neues Scheidungsverfahren einzuleiten, in dem es auf Widersprüche des Antragsgegners nicht mehr ankommt.
Normenkette
ZGB Art. 166
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 31.03.2011; Aktenzeichen 407 F 11/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 31.3.2011 - 407 F 11/11 - abgeändert.
Der Antrag des Antragstellers, die am 10.4.1974 vor dem Standesamt B., U. unter der Nr. 15 geschlossene Ehe zu scheiden, wird abgewiesen.
Die Kosten des Scheidungsverfahrens erster und zweiter Instanz trägt der Antragsteller.
Gründe
Die gem. § 58 ff., 117 FamFG zulässige - insbesondere form- und fristgerecht eingelegte - Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg. Zu Recht wehrt sie sich mit ihrer Beschwerde dagegen, dass die zwischen den Beteiligten geschlossene Ehe geschieden wird.
Die Scheidung unterliegt gem. Art. 17, 14 EGBGB U. Recht, da beide Ehegatten ausschließlich die U. Staatsangehörigkeit besitzen.
Der auf Art. 166 Abs. 1 und 2 tZGB gestützte Scheidungsantrag des Antragstellers scheitert an dem Widerspruch der Antragsgegnerin.
Nach Art. 166 Abs. 1 und 2 tZB kann eine Ehe geschieden werden, wenn die eheliche Gemeinschaft so grundlegend zerrüttet ist, dass den Eheleuten deren Fortsetzung nicht zugemutet werden kann und die Antragsgegnerin nicht wirksam von dem Recht, dem Scheidungsantrag zu widersprechen, Gebrauch gemacht hat. Die Wirksamkeit des Widerspruchs setzt voraus, dass das Verschulden des Antragstellers überwiegt, der Widerspruch nicht missbräulich ist und an der Aufrechterhaltung der Ehe ein Interesse besteht. Dabei ist zu beachten, dass entgegen dem in deutscher Übersetzung angegebenen Wortlaut des Tatbestandsmerkmals "zerrüttet" in Art. 166 Abs. 1 tZGB, auf den sich der Antragsgegner beruft, im U. Scheidungsrecht weiterhin das Verschuldensprinzip gilt (so OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2005 - 1 UF 129/05 -, veröffentlich in Juris; vgl. insoweit auch Rumpf, Einführung in das türkische Recht, § 16 Rz. 3, wie Rz. 32 "Zerrüttung als Auffangtatbestand"). Dies ergibt sich auch unter Heranziehung der Rechtsprechung zu Art. 134 tZGB a.F., der mit der Bestimmung des jetzigen Art. 166 tZGB wortgleich ist.
Dabei kann nach Auffassung des Senats ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Ehe zerrüttet ist. Nach der Einlassung beider beteiligten Eheleute lebt der Antragsteller schon seit längerer Zeit nicht mehr im früheren Haushalt der Eheleute. Es ist von ihm auch nicht beabsichtigt, die Ehegemeinschaft wieder aufzunehmen. Die Anhörung der beteiligten Eheleute durch den Senat hat ebenfalls die Zerrüttung der Ehe ergeben. So wirft die Antragsgegnerin ihrem Ehemann weiterhin ein Verhältnis zu einer vom Ehemann zugegebener Maßen guten Freundin von ihm vor, die derzeit seine nichteheliche Tochter T. aus einer anderen früheren Beziehung betreut, nachdem die Mutter mittlerweile verstorben ist. Der Ehemann bestreitet eine intime Beziehung zu dieser jetzigen Freundin oder gar eine bestehende Lebensgemeinschaft zu ihr. Gleichwohl ist er nicht bereit, zu seiner Frau zurückzukehren, weil er meint, diese habe das Eheband durch ihre immerwährende unbegründete Eifersucht zerstört. ...