Leitsatz (amtlich)
1. Presseunternehmen haften wegen der Verletzung einer Verkehrspflicht grundsätzlich nur für grobe und eindeutige, unschwer erkennbare Wettbewerbsverstöße in einer zur Veröffentlichung entgegengenommenen Anzeige; obwohl für Schlankheitsmittel häufig mit Aussagen geworben wird, die einer Nachprüfung nicht standhalten, ist Presseunternehmen insbesondere die Anzeigenwerbung für angeblich die Schlankheit fördernde Mittel nicht generell verboten.
2. Wird das Presseunternehmen jedoch auf eine Anzeige hingewiesen, deren Wettbewerbswidrigkeit sich ihm auf Grund der in der Abmahnung mitgeteilten oder sonst bekannt gewordenen Umstände unschwer erschließt, unterliegt es einer erhöhten Kontrollpflicht und kann für weitere derartige Verstöße verantwortlich sein.
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 S. 1; LFGB § 11 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Nr. 2; HCVO Art. 12 lit. b
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.4.2011 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 342/10 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die weiterer Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des LG sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe 30.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der klagende Wettbewerbsverband nimmt die beklagte Verlegerin wegen einer in der Ausgabe Nr. 35/2010 der Zeitungsbeilage "Q." erschienenen großformatigen Werbeanzeige für das Schlankheitsmittel "Bio-Zym" mit dem Titel "Die Superstars der Volksmusik ...: Wir verraten unser Schlank-Geheimnis" auf Unterlassung und Abmahnkostenersatz in Anspruch. Eine frühere Abmahnung des Klägers wegen einer nur wenig anders gestalteten Anzeige für das gleiche Produkt in der Ausgabe Nr. 15/2010 hatte die Beklagte unter Hinweis auf ihre eingeschränkte Prüfpflicht zurückgewiesen. Mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Im Berufungsrechtszug verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das LG den vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG und den Kostenerstattungsanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bejaht. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die streitbefangene Werbeanzeige gegen gesetzliche Marktverhaltensregeln verstößt, weil darin zur Täuschung geeignete Aussagen über das angeblich ohne Umstellung der Ernährungsgewohnheiten binnen kürzester Zeit wirkende Schlankheitsmittel verwendet und diesem das Körperfett bindende und abbauende Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB), sowie mit Angaben über die Dauer und das Ausmaß der Gewichtsabnahme der beiden als prominente Nutzer auftretenden "Superstars der Volksmusik" geworben wird (Art. 12 lit. b der Health-Claims-VO Nr. 1924/2006/EG).
Für die Verbreitung dieser wettbewerbswidrigen Anzeige eines Dritten ist auch die Beklagte verantwortlich.
Ihre Haftung ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des gefahrerhöhenden Verhaltens aus der Verletzung einer Verkehrspflicht (vgl. BGHZ 173, 188 [Rz. 22, 36] = GRUR 2007, 890 = WRP 2007, 1173 - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, Urt. v. 9.11.2011 - I ZR 150/09 - Basler-Haar-Kosmetik [Rz. 60] m.w.N.). Diese konkretisiert sich bei Presseunternehmen in der Pflicht zur Prüfung, ob eine zur Veröffentlichung entgegengenommene Anzeige gegen gesetzliche Vorschriften verstößt; weil an diese Pflicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen, kommt es entscheidend darauf an, ob und inwieweit dem Verleger oder Anzeigenredakteur nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Die von der Rechtsprechung zur sog. Störerhaftung der Medien entwickelten Kriterien können, obwohl die Rechtsfigur der Störerhaftung für das Lauterkeitsrecht inzwischen aufgegeben worden ist (BGH, GRUR 2011, 157 = WRP 2011, 223 [Rz. 48] - Kinderhochstühle im Internet), für diese Beurteilung weiter herangezogen werden (OLG Köln, Urt. v. 27.8.2010 - 6 U 43/10 = MD 2010, 1093 - Schlank-Sensation Nr. 1, sub Nr. II 1 im Anschluss an BGHZ 173, 188 [Rz. 38] - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Danach beschränkt sich die Prüfpflicht angesichts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und wegen des im Anzeigengeschäft herrschenden Zeitdrucks grundsätzlich auf die Vermeidung grober un...