Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 405/20)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.07.2023; Aktenzeichen IV ZR 123/22)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - Az. 9 O 405/20 - wird zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird bzgl. des Antrags zu 3) als unzulässig verworfen; im Übrigen wird sie als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 23 % und die Beklagte zu 77 %.

Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird für die Beklagte im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel in § 8b AVB, die in weiten Teilen § 8b MB/KK 2009 entspricht, zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer A bestehenden privaten Krankenversicherung des Klägers. Wegen aller Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien und ihre zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat festgestellt, dass insgesamt elf der von der Beklagten vorgenommenen Erhöhungen von Monatsbeiträgen unwirksam seien, nämlich im Tarif B (B) die Erhöhung zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 20,89 EUR, im Tarif C die Erhöhung zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 4,98 EUR, im Tarif D(D) die Erhöhung zum 01.01.2012 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 29,40 EUR, im Tarif D(D) die Erhöhung zum 01.01.2013 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 11,51 EUR, im Tarif C die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 1,88 EUR, im Tarif E die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 7,67 EUR, im Tarif C die Erhöhung zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 3,49 EUR, im Tarif B (B) die Erhöhung zum 01.01.2016 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 35,23 EUR, im Tarif B (B) die Erhöhung zum 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 26,29 EUR, im Tarif C die Erhöhung zum 01.01.2017 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 2,56 EUR und im Tarif B (B) die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 49,23 EUR. Ferner hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 2.132,22 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass diese dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet sei, die sie in dem Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 17.12.2020 aus dem Prämienanteil gezogen habe, den der Kläger auf die unwirksamen Beitragsanpassungen gezahlt habe. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Soweit für Berufung und Anschlussberufung noch relevant, hat das Landgericht zur Begründung folgendes ausgeführt:

Die Erhöhungen im Tarif B zum 01.01.2016, zum 01.01.2017 und zum 01.01.2020 sowie der Tarife D und E zum 01.01.2013 seien unwirksam, weil die diesen zugrundeliegende Rechtsgrundlage unwirksam sei. Bei diesen Beitragsanpassungen habe die Veränderung bei den Versicherungsleistungen unter dem gesetzlichen Schwellenwert von 10 %, aber über 5 % gelegen. § 8b AVB ermögliche bei einer Abweichung der Versicherungsleistungen von mehr als 5 % zwar eine Anpassung der Prämie. Die Klausel sei aber unwirksam, weil sie §§ 12b Abs. 2 S. 2 VAG a.F., 155 Abs. 3 S. 2 VAG, 203 Abs. 2 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers widerspreche. Nach dem Wortlaut von Abs. 2 der Klausel könne von einer Beitragsanpassung abgesehen werden, wenn die Veränderung der Versicherungsleistungen nur vorübergehend sei. Daraus folgere der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass dem Versicherer bei einer nur vorübergehenden Veränderung ein Ermessensspielraum zustehe. Damit werde dem Versicherer entgegen der gesetzlichen Regelung die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Die Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 AVB führe auch zur Unwirksamkeit des hiermit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Abs. 1. Hiernach könne eine Beitragsanpassung nämlich auch dann erfolgen, wenn der maßgebliche Schwellenwert überschritten sei und zwar entgegen der gesetzlichen Regelung auch dann, wenn eine nur vorübergehende Veränderung vorliege.

Aus der Unwirksamkeit der vorgenannten Erhöhungen folge auch die Unwirksamkeit des gesetzlichen Betragszuschlags (C) zum 01.01.2013, zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017.

Dem Kläger stehe gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der auf die unwirksamen Prämienanpassungen geleisteten Erhöhungsbeiträge zu, die nach dem 01.01.2017 geleistet worden seien. Soweit Zahlungen bis einschließlich 2016 erfolgt seien, seien Bereicherungsansprüche dagegen jedenfalls verjährt. Der Lauf der ...

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