Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen (9 O 39/17) vom 07.02.2023 teilweise abgeändert und - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 750,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2017 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 159,94 EUR freizustellen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 4.119,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2017 zu zahlen.

Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten einen Anteil von 75 % von sämtliche Aufwendungen zu erstatten, die sie im Rahmen des von ihr zu leistenden Schadensersatzes an das Kind X. D. Y. oder an Sozialversicherungsträger bzw. sonstige Dritte im Hinblick auf den Unfall vom 02.08.2015 zu leisten hat.

Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 82 % und die Beklagte zu 18 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 75 % und die Beklagte zu 25 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. 1. Die Parteien streiten um Ansprüche in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 02.08.2015 in D. in der Straße "A.-straße" unter Beteiligung des damals dreieinhalb Jahre alten Sohnes des Klägers und des PKW F. K. mit dem amtlichen Kennzeichen J. N01, das bei der Beklagten haftpflichtversichert war, ereignete. Der Sohn des Klägers fuhr mit einem Laufrad von einem abschüssigen Fußgängerweg auf die Straße "A.-straße", wo er von dem herannahenden Fahrzeug des Zeugen W. erfasst und schwer verletzt wurde (vgl. Kopie der Lichtbilder des Unfallortes, Anlage B2 zur Klageerwiderung, Bl. 29 ff. d.A.). Das Kind erlitt u.a. ein Schädelhirntrauma rechts mit mehreren Schädelbrüchen und Hirnödem, eine Milzruptur sowie eine Fraktur des Skapula (Schultergürtel). Das Kind wurde vier Tage beatmet, operativ und neurochirurgisch behandelt (vgl. Arztbrief Anlage zur Klageschrift Bl. 7 ff. d.A.) und nach einer Reha-Behandlung am 26.08.2015 nach Hause entlassen. Nach dem Unfall verblieb eine motorische Schwäche der rechten Körperhälfte. Weitere Folge der unfallbedingten Verletzungen sind eine Persönlichkeits- und Entwicklungsstörung. Seit September 2015 leidet das Kind an sog. Affektkrämpfen (Wutanfällen mit anschließender Bewusstlosigkeit), die unfallunabhängig auftraten.

Mit der Klage verfolgt der Kläger einen Schmerzensgeldanspruch wegen eines aufgrund des Unfalls erlittenen Schockschadens i.H.v. 30.000,- EUR. Mit der Widerklage nimmt die Beklagte den Kläger im Wege des Gesamtschuldnerregresses wegen einer - vermeintlichen - Aufsichtspflichtverletzung in Anspruch.

Der Kläger befand sich vom 26.09. bis 02.11.2016 in teilstationärer Behandlung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie U., wo eine posttraumatische Belastungsstörung, chronische Kopfschmerzen und eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostiziert wurden (Anlage K 9, Bl. 123 ff. d.A.). Im Anschluss befand sich der Kläger für ca. ein Jahr in einer ambulanten Psychotherapie bei Dr. L., der ebenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome diagnostizierte und dem Kläger ein sedierendes Antidepressivum verschrieb (Anlage K 7, Bl. 75 ff. d.A., Bd. I).

Die Beklagte zahlte vorgerichtlich 5.492,54 EUR an das Kind als Vorschuss auf dessen Schadensersatzansprüche. Die Beklagte erstattete der Krankenversicherung des Kindes, der H., Behandlungskosten i.H.v. ca. 27.000,- EUR. In einem vor dem Landgericht Kassel geführten Rechtsstreit schlossen die Beklagte und der Kläger sowie seine Ehefrau als gesetzliche Vertreter ihres Kindes zur Abgeltung aller Ansprüche des Kindes am 22.03.2019 einen Abfindungsvergleich über 20.000,00 EUR.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens sowie eines psychiatrischen Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle vom 07.11.2017 (Bl. 78 ff. d.A., Bd. I) und 13.01.2021 (Bl. 412 ff. d.A., Bd. II) sowie ferner auf die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr.-Ing. O. vom 22.02.2018 (Bl. 148 ff. d.A., Bd. I), - wegen der mündlichen Erläuterung des Unfallrekonstruktionsgutachtens - auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2019 (Bl. 203 ff. d.A., Bd. I) und das nervenärztliche Gutachten vom 10.07.2022 (Bl. 675 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?