Verfahrensgang
LG Aachen (Entscheidung vom 15.12.1999; Aktenzeichen 8 O 238/99) |
Gründe
Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete - Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zurecht hat das Landgericht Aachen Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten verneint.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1) weder ein Schadensersatzanspruch aus § 18 Abs. 1 S. 2 StVG noch aus § 823 Abs. 1 BGB zu, da dem Beklagten zu 1) das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 S. 1, 2 SGB VII zugute kommt. Danach sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten "desselben Betriebs" verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.
Die beiden letztgenannten Voraussetzungen für eine Nichtanwendbarkeit des Haftungsprivilegs aus § 105 Abs. 1 SGB VII liegen unzweifelhaft nicht vor.
Der Beklagte zu 1) ist auch als Nichtarbeitnehmer der Klägerin jedoch in die Haftungsfreistellung gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII mit einbezogen.
§ 105 SGB VII beinhaltet im Hinblick auf die frühere Regelung in § 637 Abs. 1 RVO eine Erweiterung des Personenkreises, denen als Schädiger die Haftungsfreistellung des § 105 SGB VII zugute kommen soll. Die Haftungsfreistellung nach § 637 Abs. 1 RVO, die vor Inkrafttreten des SGB galt, bezog sich auf Schädiger, die "Betriebsangehörige des Unfallbetriebes" waren. Das waren über die Arbeitnehmer des Betriebes hinaus diejenigen, die dem Weisungsrecht und der Fürsorgepflicht des Betriebsinhabers des Unfallbetriebes nach Art eines Arbeitnehmers unterlagen. Dies bedingte eine gewisse Eingliederung in den Betrieb wie etwa bei einem Leiharbeitsverhältnis. Eine vorübergehende Tätigkeit des Schädigers ohne dies genügte nicht für dessen Haftungsfreistellung, es genügte insbesondere nicht eine "Wie-Beschäftigung" gemäß § 539 Abs. 2 RVO, um als Betriebsangehöriger im Sinne von § 637 Abs. 1 RVO angesehen werden zu können. Die Haftungsfreistellung nach § 105 Abs. 1 SGB VII reicht - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt - weiter. Es kommt nicht mehr darauf an, ob der Schädiger "Betriebsangehöriger" ist oder nicht. Von der Haftung freigestellt sind jetzt vielmehr alle "Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebes verursachen". Entscheidend ist jetzt, ob es eine "betriebliche Tätigkeit" ist, durch die eine Person einen Versicherungsfall (von Versicherten desselben Betriebs) verursacht. Die "betriebliche Tätigkeit" kann namentlich eine "Wie-Beschäftigung" (§ 2 Abs. 2, 6 SGB VII, früher § 539 Abs. 2 RVO) sein, die nach altem Recht nicht zur Haftungsfreistellung des Schädigers führte. Im Ergebnis bestehen damit jetzt gleiche Voraussetzungen für die Haftungsfreistellung des Schädigers einerseits und für den mit der Haftungsfreistellung des Schädigers verbundenen Versicherungsschutz des "Versicherten desselben Betriebs" andererseits (vgl. Wannagat, SGB, Kommentar zum Recht des SGB, 46. Lieferung zum Gesamtwerk, zugleich 5. Lieferung SGB VII, "Gesetzliche Unfallversicherung", Oktober 1998, § 105 SGB VII Rn. 4 bis 6 m.w.N.).
Ziel der Vorschrift ist es, da jeder im Betrieb Tätige durch eine Unachtsamkeit insbesondere einem Arbeitskollegen erheblichen Schaden zufügen kann, diesen von den Folgen dieses Risikos weitgehend freizustellen. Denn das Risiko, deshalb einer unter Umständen hohen privatrechtlichen Schadensersatzforderung ausgesetzt zu sein, kann ihm vor dem Hintergrund der Unfallversicherung genommen werden: Der versicherte Geschädigte erhält Leistungen der Unfallversicherung, die seinen Schaden bis auf evtl. "Schadensspitzen" decken. Das erlaubt die Haftungsfreistellung des Schädigers, denn der Geschädigte hat einen, zudem liquiden Schuldner. Jeder im Betrieb Tätige kann zum Geschädigten und zum Schädiger werden. Wird ihm das Haftungsrisiko abgenommen, kann er für den Fall der Schädigung bereit sein, auf zivilrechtlichen Schadensersatz zu verzichten.
Die Unterscheidung nach altem Recht zwischen Schädiger und Geschädigtem bezüglich der Betriebseingliederung trug diesem Spannungsverhältnis nicht genügend Rechnung. Es liegen keine vernünftigen Gründe dafür vor, den Geschädigten bezüglich seiner Zuordnung zum geschädigten Betrieb anders zu behandeln als den Schädiger. In gleicher Weise wie der Geschädigte Versicherungsschutz beanspruchen kann, soll auch der Schädiger von dem Versicherungsschutz profitieren (vgl. Wannagat, aaO., Rn. 31).
Nach neuem Recht kann daher auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die der BGH zu § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zur "Wie-Beschäftigung" für den Geschädigten entwickelt hat. Danach hängt die Haftungsprivilegierung des Beklagten zu 1) davon ab, dass er "wie" ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB VII für den...