Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 1 O 210/18)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 07.02.2019 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 1 O 210/18 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung des Klägers zulässig und genügt insbesondere den Vorgaben des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO. Diese Vorschrift betrifft die Rügen der Verletzung materiell- und prozessrechtlicher Maßstabsnormen sowie die Rügen der Verletzung der verfahrensleitenden Normen, die nicht die Tatsachenfeststellung betreffen. Zur Darlegung der Verletzung einer Rechtsnorm ist erforderlich, dass der Berufungskläger im Einzelnen auseinandersetzt, warum aus seiner Sicht die Rechtsanwendung des erstinstanzlichen Gerichts fehlerhaft ist (MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, ZPO § 520 Rn. 48 f. m.w.N.). Dieses Begründungserfordernis dient der Verfahrenskonzentration, indem es den Berufungsführer anhält, die angegriffene Entscheidung nicht nur im Ergebnis, sondern in der konkreten Begründung zu überprüfen und im Einzelnen darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird (BGH, Beschluss vom 02.12.2015 - VII ZB 48/13 -, Rn. 16, juris). Erforderlich ist mit Blick auf diesen Zweck ersichtlich nicht, dass der Berufungsführer einzelne Textpassagen des angefochtenen Urteils konkret bezeichnet oder sogar zitiert. Auch ist die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm entbehrlich, soweit aus der mitgeteilten Rechtsansicht deutlich wird, worin der Rechtsfehler gesehen wird (MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, ZPO § 520 Rn. 49 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das klägerische Berufungsvorbringen ohne weiteres gerecht, denn der Kläger teilt zu den in den Blick genommenen Anspruchsgrundlagen im Einzelnen mit, aus welchen Gründen er deren Voraussetzungen anders beurteilt als das Landgericht.

Vertragliche Ansprüche, deren Bestehen das Landgericht zutreffend verneint hat, reklamiert die Berufung nicht. Dem Kläger steht auch kein deliktischer Anspruch gegen die Beklagte zu. Insbesondere besteht kein Anspruch aus § 826 BGB, denn es fehlt bereits an einer Täuschungs- und damit auch an einer unter § 826 BGB fallenden Schädigungshandlung.

Eine solche liegt grundsätzlich in Gestalt des Inverkehrbringens eines Fahrzeugs, das mit einem von dem sog. Abgasskandal betroffenen Motor ausgestattet ist, zwar regelmäßig vor. Dies beruht darauf, dass eine der anerkannten Fallgruppen des § 826 BGB das Verleiten zum Abschluss nachteiliger Verträge durch eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB ist (vgl. MüKoBGB-Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 826 Rn. 66 m.w.N.).

Dem Inverkehrbringen eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kommt ein Erklärungswert im Sinne einer arglistigen Täuschung zu, denn dadurch hat die Beklagte sämtliche potentiellen Kunden getäuscht, die von der Installation und Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware keine Kenntnis hatten. Mit dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs bringt der Hersteller gegenüber seinen potentiellen Kunden zum Ausdruck, dass für das Fahrzeug die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen zu Recht und unter Zugrundelegung solcher Messergebnisse - die der Hersteller sich zu eigen macht (vgl. hierzu BeckOGK/Spindler, Stand: 01.07.2018, BGB § 826 Rn. 168 m.w.N.) - erteilt worden sind, die jedenfalls im Hinblick auf die Betriebsweise des Motors den realen Bedingungen im regulären Straßenbetrieb entsprechen. Der Kunde geht deshalb davon aus, dass das Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt, mithin auch davon, dass die erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt worden sind (OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 - 27 U 10/18 -, juris Rn. 5; in der Tendenz auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.12.2018 - 14 U 60/18 -, juris Rn. 10; im Ergebnis auch Staudinger/Oechsler, Neubearbeitung 2014, Updatestand 19.06.2017, BGB § 826 Rn. 149.1). Von Belang ist insoweit auch das Käuferinteresse, jedenfalls insoweit von den Labormesswerten auf die realen Immissionswerte des Fahrzeugs schließen zu können, als ein Vergleich verschiedener Fahrzeugmodelle möglich ist (so auch Oechsler, NJW 2017, 2865).

Das in der Literatur diskutierte Gegenargument, durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge entstehe noch kein geschäftlicher Kontakt mit potentiellen Kaufinteressenten (Legner, VuR 2018, 251, 252), ist nicht stichhaltig. Denn für eine Täuschung im Sinn des § 123 BGB ist es generell nicht zwingend erforderlich, dass es bereits zu einem geschäftlichen Kontakt zwischen Täuschendem und Getäuschtem gekommen ist. Vielmehr ist etwa...

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