Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB
Leitsatz (amtlich)
1. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten führt die einer Vertragshändlerin im Anschluss an die Beendigung des Vertragshändlervertrages aufgenommene Vermittlung von "XY"-Neuwagen im Rahmen eines anderweitig geschlossenen Agenturverhältnisses nicht bereits zum Ausschluss des Ausgleichsanspruchs gegen den Hersteller analog § 89b HGB dem Grunde nach, sondern im Rahmen eines Billigkeitsabschlag zu berücksichtigen.
2. Zur Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs hält der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung an der sog. Rohertragsmethode fest.
3. Als Neuwagengeschäft des letzten Vertragsjahrs sind bei der Ermittlung des Ausgleichsanspruchs auch Verkäufe von Neuwagen an den B-Händler des Vertragshändlers zu werten, die unmittelbar an Endkunden weiterverkauft wurden. Ein Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers gegen den Hersteller grundsätzlich auch bezogen auf Verkäufe von Fahrzeugen über ihm nachgeordnete Händler in Betracht, der Hersteller aus der Übernahme der Geschäftsverbindungen mit dem überlassenen Kundenstamm Vorteile ziehen kann. Als überlassener Kundenstamm sind dabei nicht die nachgeordneten Händler anzusehen, da diese - wie die A-Händler - in das Vertriebsnetz des Herstellers eingebunden sind. Abzustellen ist deshalb nicht auf die Verkäufe des Vertragshändlers an seine nachgeordneten Händler, sondern auf die jeweiligen Geschäfte der nachgeordneten Händler mit Endkunden.
4. Umsätze, die der Vertragshändler aus Verkäufen von Ersatzteilen des Herstellers erzielt hat, sind nicht ausgleichspflichtig gem. § 89b HGB, da es für diesen Geschäftsbereich an den für die analoge Anwendung dieser Vorschrift erforderlichen Voraussetzungen fehlt.
5. Vorführwagen sind für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht als Neuwagen zu behandeln. Dies gilt nicht nur für die Frage, welche Verkaufsvorgänge des letzten Vertragsjahres berücksichtigungsfähig sind, sondern auch für die Beurteilung des die Mehrfachkundeneigenschaft begründenden Vorkaufs, da allein aus dem vorangegangenen Kauf eines Vorführwagens nicht geschlossen werden kann, dass es sich aufgrund des dann nachfolgenden Kaufs eines Neuwagens bereits um einen Neuwagen-Stammkunden handelt.
6. Bei der Ermittlung der Provisionsverluste handelt es sich um eine Prognoseberechnung, wobei im Kfz-Vertragshändlerbereich nach bislang ganz allgemeiner Auffassung ein Prognosezeitraum von 5 Jahren zugrunde zu legen ist. An diesem auch vom erkennenden Senat in ständiger Rechtsprechung zugrunde gelegten Prognosezeitraum von 5 Jahren wird festgehalten.
7. Zur Bemessung der Sogwirkung der Marke.
8. Zur Billigkeitskürzung im Hinblick darauf, dass er Vertragshändler den Kundenstamm nach Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses, zum einen in der Fortführung eines autorisierten "XY"-Servicebetriebs und zum anderen in der Vermittlung von "XY"-Neuwagenfahrzeugen als Agentur: Der Umstand, dass der Hersteller in unmittelbarem Anschluss an die Beendigung des Händlervertrages als autorisierte "XY"-Vertragswerkstatt tätig geworden ist, rechtfertigt einen Billigkeitsabschlag, der im Regelfall bei ca. 10 % anzusiedeln Für die Vermittlung von Neuwagen als autorisierte "XY"-Agentur ist ein - hier mit 50 % anzusetzender deutlicher - Billigkeitsabschlag.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 10.07.2008; Aktenzeichen 86 O 14/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 10.7.2008 - 86 O 14/06 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 16.661,49 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % vom 1.2.2003 bis zum 30.5.2005 und i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.5.2005 zu zahlen.
Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 88 % und die Beklagte 12 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin war seit 1993 als Vertragshändlerin der Beklagten tätig, zuletzt aufgrund Händlervertrages vom 23.10./18.11.1996 (Anlage K 2, Bl. 15 ff. AH). Das Vertragshändlerverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten vom 19.1.2001 zum 31.1.2003. Seit dem 1.2.2003 ist die Klägerin aufgrund eines mit der Beklagten geschlossenen Werkstattvertrages als D-Vertragswerkstatt tätig. Ferner schloss die Klägerin unter dem 29.1./31.1.2003 mit der Fa. Autohaus I. GmbH & Co. KG, einer Vertragshändlerin der Beklagten, einen D-Neuwagenagenturvertrag (Anlage B 1, Bl. 101 ff. GA), aufgrund dessen sie D-Neuwagen-Verkäufe vermittelt und hier...