Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 10 O 129/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.02.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen - 10 O 129/18 - einschließlich des ihm ab dem 11.12.2018 zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszugs, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt, zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadensersatz mit Blick auf den PKW A des Klägers und insbesondere darüber, ob dieser von dem sogenannten Abgasskandal betroffen ist.

Der Kläger erwarb bei der Autohaus B GmbH am 11.12.2014 einen gebrauchten PKW der Marke C zu einem Kaufpreis von 39.900 EUR. Der eingebaute Dieselmotor trägt die interne Bezeichnung D (Euro-5-Norm). Das Fahrzeug verfügt über keine AdBlue-Technik. Die Erstzulassung des Fahrzeugs war im Oktober 2013. Der Kilometerstand betrug am 11.12.2014 16.732 Kilometer.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug halte die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte nicht ein. Unter anderem aus Prüfergebnissen der E Fachhochschule, die durch Medienberichte bekannt geworden seien, ergebe sich, dass der streitgegenständliche Motorentyp, der in einer Vielzahl von Modellen der Beklagten eingebaut sei, die Stickstoffoxidwerte der Euro-5-Norm im Straßentest die maßgeblichen Grenzwerte um den Faktor 4,7 überschritten hätte, während diese auf dem Prüfstand eingehalten worden seien. Nach der Einschätzung von Herrn Prof. F (TU G) lasse dies nur den Schluss zu, dass auf dem Rollenprüfstand eine illegale Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Abs. 10 EG/715/2007 im Einsatz sei. Laut Medienberichten sei der streitgegenständliche Motorentyp Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Ferner seien die Messergebnisse im Bericht der Untersuchungskommission H für den Motor D fatal ausgefallen, wobei Motor und Abgassteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs baugleich mit dem dort gemessenen Fahrzeug der Beklagten der V-Klasse seien. Die Beklagte habe auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamts einen verpflichtenden Rückruf für I-Fahrzeuge mit Dieselmotoren betreffend die Fahrzeugvarianten der Euro-6B-Norm angekündigt. Damit habe die Beklagte eine illegale Abschalteinrichtung eingeräumt. Die Motorsteuerung der manipulierten Fahrzeuge enthalte eine solche, um die Abgasnormen zu umgehen. Die eingesetzte Software der J GmbH erkenne, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde. Unter Prüfungsbedingungen sei die Abgasaufbereitung auf einen möglichst geringen Stickstoffoxidausstoß optimiert. Im normalen Fahrbetrieb sei dies hingegen nicht der Fall. Die Beklagte verwende bei ihren Fahrzeugen mindestens fünf verschiedene Abschalteinrichtungen. Die Motorsteuerungssoftware sei hochkomplex und könne nicht ohne weiteres durchschaut werden. Die Aufwärmstrategie erkenne eine Prüfungssituation und schalte in den genannten Prüfstandmodus. Ferner komme ein Thermofenster zum Einsatz, das die Ausnahmeregelung zum Motorenschutz deutlich überziehe und daher als unzulässige Abschalteinrichtung zu werten sei. Ferner werde der Harnstoff mittels AdBlue im SCR Katalysator fehlerhaft dosiert, wodurch das Fahrzeug zwar einerseits weniger AdBlue verbrauche, als es zur Erreichung der Grenzwerte notwendig sei, andererseits aber sich der Wirkungsgrad verschlechtere. Eine andere Softwarefunktion schalte die Motorsteuerung erst nach 1.200 bzw. 2.000 Sekunden in den Modus für den normalen Fahrbetrieb. Im Prüfstandbetrieb nehme die Software Einfluss auf die Schaltpunkte des Getriebes, wobei diese bei kaltem Motor und ohne Lenkradeinschlag höher seien als nach einem Lenkradeinschlag, wodurch der Ausstoß von Stickstoffoxiden und Kohlendioxid im Prüfstandbetrieb geringer sei. Im Hinblick auf die Euro-6-Norm belegten Unterlagen, dass mehrere Softwarefunktionen dazu entwickelt worden seien, dem US-Abgastest zu entsprechen, obwohl die Werte im realen Fahrbetrieb deutlich höher seien. Bei Fahrzeugen ohne AdBlue-Technik würden unterschiedliche Abschalteinrichtungen mit Blick auf die Abgasrückführung eingesetzt, ähnlich wie bei H. Auf dem Rollenprüfstand würden die Grenzwerte dank voll eingesetzter Abgasrückführung eingehalten, im normalen Straßenverkehr werde diese jedoch heruntergefahren bzw. ausgeschaltet. Hierzu werde unter anderem das Temperaturfenster eingesetzt, das daran anknüpfe, dass auf dem Rollenprüfstand eine konstante Temperatur der Außenluft von 20 Grad Celsius herrsche. Thermofenster bedeute, dass die Abgasreinigung ausgeschaltet werde, wenn die Außentemperaturen unter 17 Grad Celsius fielen oder über 30 Grad Celsius anstiegen. Der streitgegenständliche Motor D sei entweder mit AdBlue-Technik und einem SCR-Katalysator oder nur mit Steuerung der Abgasrückführung erhältlich, wobei die erstgenannte Variante in den Modellen ab der C-Klasse zum Einsatz komme. Der Kläger hat behau...

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