Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz wegen Beschädigung von im Boden verlegten Versorgungsleitungen, Sorgfaltspflichten bei Tiefbauarbeiten in der Leistungskette

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Tiefbauunternehmer muss sich vor Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach der Existenz und dem Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen erkundigen.

2. Diese Sorgfaltspflichten treffen sowohl den Unternehmer, der die Tiefbauarbeiten ausführt, als auch denjenigen, der die Arbeiten durch Beauftragung eines (Nach)Unternehmers veranlasst.

3. Überträgt der ausführende Unternehmer die Prüfungspflichten im Bauvertrag an seinen Auftraggeber, verbleiben ihm dennoch Auswahl-, Kontroll- und Überwachungspflichten, aufgrund derer er seinerseits kontrollieren muss, ob sein Auftraggeber sich hinreichende Gewissheit von der Lage eventueller Leitungen verschafft hat.

4. Auch der nicht unmittelbar auf der Baustelle tätigen Planer kann der deliktischen Haftung gegenüber dem Versorgungsunternehmen unterworfen sein, wenn er mit dem Aufsuchen problematischer, unterirdischer Leitungsverläufe beauftragt ist und dem Unternehmer, der ihn hiermit beauftragt hat, unzureichende und irreführende Angaben über im Boden verlegte Leitungen macht.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 27.06.2013; Aktenzeichen 8 O 514/10)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1), 3) und 4) wird das am 27.6.2013 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Köln - 8 O 514/10 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner unter Abweisung der weiter gehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 33.696,08 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.5.2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte als Gesamtschuldner der Klägerin alle weiteren Schäden zu ersetzen haben, die ihr infolge der Beschädigung der Kabelkanalanlage an der M-U-Straße, Köln, im November 2007 infolge von Bohrarbeiten zum Bauvorhaben "D", Köln, entstanden sind oder noch entstehen werden.

Im Übrigen werden die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1), 3) und 4) zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 715.377,20 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen der Beschädigung einer im Boden verlegten Kabelschachtanlage mit Telekommunikationsleitungen im Zuge von Bauarbeiten am Bauvorhaben D Köln, M-U-Str, in zentraler Innenstadtlage in Köln.

Bauherrin war eine L GmbH & Co. KG. Die Beklagte zu 4) war Generalunternehmerin, die Beklagte zu 3) war von ihr als Nachunternehmerin mit den Tiefbauarbeiten beauftragt. Hierzu gehörte die Herstellung eines Berliner Verbaus zur Absicherung der Baugrube, dessen Vertikalträger aus statischen Gründen durch Setzen von Ankern verstärkt werden sollte. Mit den Verankerungsarbeiten beauftragt die Beklagte zu 3) die Beklagte zu 1) als Tiefbauunternehmen.

Die Beklagte zu 4) beauftragte den Beklagten zu 5), Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2), (künftig nur die Beklagten zu 2) und 5)) mit E-Mail vom 23.7.2007 (Anl. B 1 zur Klageerwiderung der Beklagten zu 2) und 5), Bl. 108 Anlagenheft I) mit der "Prüfung, ob bei der geplanten Ausführung der Verankerung Konflikte mit Medien, Versorgungs- und Entsorgungsleitungen etc. im Erdreich zu erwarten sind". Die Beklagten zu 2) und 5) legten mit Schreiben vom 28.8.2007 (Anl. B 2, Bl. 109 Anlagenheft I) einen Plan S005 vor, über dessen Aussagekraft und Bedeutung die Parteien streiten.

Im November 2007 - am oder vor dem 7.11.2007 - wurden beim Einbringen der Stahlanker für den Verbau in das Erdreich eine von der Klägerin betriebene Kabelanlage sowie ein Kabelschacht beschädigt.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz von 33.777,20 EUR für eine Notreparatur und Nutzungsausfall. Wegen der Zusammensetzung des Betrages wird auf die Rechnung der Klägerin vom 21.4.2009 (Anl. K 8, Bl. 46 Anlagenheft I) Bezug genommen. Ferner begehrt die Klägerin die Feststellung der weiteren Ersatzpflicht. Insoweit gibt sie Kosten der endgültigen Schadensbeseitigung von - je nach Sanierungsart - 875.000 EUR oder 2,75 Mio. EUR an, wobei die praktische Durchführbarkeit beider Varianten nicht geklärt sei.

Das LG, auf dessen Urteil wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadenshöhe der Klage gegen die Beklagten zu 1), 3) und 4) stattgegeben und sie gegenüber den Beklagten zu 2) und 5) abgewiesen.

Hiergegen w...

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